07-09-2009 Beijing Rundschau
Durch die Linse ...
von Chen Ran

 

Dem Volke dienen

Im Jahr 1966 wurde Wang zum Leiter des Studios befördert. Seither verbrachte sein Team jedes Jahr einen ganzen Monat der Nebensaison damit, mit ihrer Fotoausrüstung in abgelegene Berg- und Waldgebiete zu ziehen, damit sich auch dort die Leute fotografieren lassen konnten.

Ein Zwischenfall, der sich in den späten 1960er Jahren im Yinchun-Waldgebiet ereignete, ist Wang bis heute ins Gedächtnis eingebrannt.

Nachdem sein Team im Waldgebiet für die Einheimischen Fotos geschossen hatte, fuhren alle mit einem Zug, der Holz geladen hatte, nach Harbin zurück. Niemand rechnete damit, dass die Seile, welche das Holz sicherten, plötzlich rissen und die Baumstämme den Bahndamm herabstürzten. Was aber noch schlimmer war: die Bremsen des Zuges versagten, außer Kontrolle geraten, drohte der Zug zu entgleisen. Gerade als sie durch die Zugfenster ins Freie springen wollten, konnte der Zug doch noch gestoppt werden.

„Unsere Mission war wirklich freiwillig", sagt Wang. Er und seine Leute durchstreiften in den folgenden Jahren fast alle Gebiete der Provinz Heilongjiang, bis hinauf nach Daxinganling im nördlichen Grenzgebiet.

 

Einfaches Leben

Mitte der 1970er Jahre kehrten zahlreiche „intellektuelle Jugendliche" in die Stadt zurück. Im Rahmen einer von Mao Zedong initiierten Kampagne waren sie während der Kulturrevolution (1966-1976) aufs Land befohlen worden, um dort das Leben der Bauern kennen zu lernen, bei der Feldarbeit zu helfen, den Bauern Lesen und Schreiben beizubringen und sie politisch zu indoktrinieren. Wang und sein Team mussten täglich 10 Stunden arbeiten, um für die zurückgekehrten Jugendlichen Fotos aufzunehmen. So waren sie gezwungen ihre freiwilligen Exkursionen in entlegene Gebiete aufgeben, denn dafür war nun keine Zeit mehr übrig. Nach einigen Jahren verlagerte sich Wang ganz auf die Hochzeitsfotografie, weil dieser Bereich immer stärker nachgefragt war. 

Damals waren alle Hochzeitsfotos schwarzweiß. Ein kompletter Satz kostete ungefähr 30 Yuan, was damals dem halben Monatsgehalt eines Universitätsprofessors entsprach! Aber dafür bekam man immerhin eine Porträtaufnahme des Paares im Format 19,2 cm × 13,2 cm, zwei Einzelaufnahme von Braut und Bräutigam, ein Porträt des Brautpaares in Ganzkörperaufnahme (38,4 cm x 33 cm) und eine handkolorierte Vergrößerung im Format 34,8 cm x 39,6 cm.

„Ganz anders als heute, trug das Ehepaar bei diesen Fotositzungen nur eine Garnitur Hochzeitskleidung. Als Standard-Pose galt, dass das Ehepaar Schulter an Schulter saß", erinnert sich Wang. „Ehrlich gesagt, waren alle Paare ziemlich nervös, wie sie so im grellen Schein der 10 300-Watt-Lampe dasaßen. Ich tat mein Bestes, um den Moment zu erfassen, in dem sie entspannt wirkten", erzählt Wang.

Im Jahr 1986 hat das Zhenmei Fotostudio damit begonnen, Farbfilme zu verwenden. Ein handgemalter Hintergrund und verschiedene Bühnendekorationen und Kostüme haben mehr Farbe ins Studio getragen. „Dank der Reform- und Öffnungspolitik konnte man sich eines besseren Lebens und eines weiteren Horizonts erfreuen", sagt der alte Fotograf. „Eine ganz deutlich sichtbare Veränderung zeigt sich darin, dass man heute viel lockerer vor dem Objektiv sitzt und seiner Meinung und seinen Gefühlen gerne Ausdruck verleiht, und das nicht nur im Fotostudio! Durch meine Linse konnte ich tatsächlich den Veränderungen in unser aller Leben nachspüren."

Wang ist 1995 in Pension gegangen. Sein Leben ist nun ganz schlicht: jeden Tag geht er spazieren und spielt chinesisches Schach. Kommt er an einem Fotostudio vorbei, bleibt er stehen, um die Fotos im Schaufenster zu betrachten.

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