04-01-2010 Beijing Rundschau Brüderle in Beijing: Öffnung für chinesische Direktinvestitionen - Absage an Überlassung von Hi-Tech-Lizenzen von Matthias Mersch
Nach Hausmanns Erfahrung teilt sich der chinesische Markt in drei Bereiche auf: einen traditionell offenen Markt, auf dem in- und ausländische Firmen agieren können, einen strategisch geschützten Markt, auf dem man nur durch Technologietransfer oder Minderheitenbeteiligungen aktiv werden kann, und einen Markt der Zukunftstechnologien. Dazu zählen die Gentechnologie und die Entwicklung von Elektroautos. Der chinesischen Seite sei klar, „dass hier die Aufholjagd noch gewonnen werden kann." Der Faktor Zeit spiele die entscheidende Rolle: wenn deutsche Firmen in der Elektromobilität Fuß fassen wollen, müssen sie in Netzwerken kooperieren und „Schnelligkeit an den Tag legen, damit nicht durch andere Tatsachen geschaffen werden, die später nicht mehr veränderbar sind." Konkret wird Brüderle an diesem Morgen vor Vertretern deutscher Unternehmen in China nur selten: „Direktinvestition ist keine Einbahnstraße, es muss in beide Richtungen gehen. So sind chinesische Investitionen in Deutschland ausgesprochen willkommen." Das ist schön, sagt aber wenig. Stark machen wolle er sich für eine Revision des Einspruchsrechts des Bundes bei Direktinvestitionen aus China: „Melden ja, Einspruchsmöglichkeit nein. Natürlich bleibt der Sicherheits- und Militärbereich immer außen vor." Nach zwei Jahren, also erst zur Halbzeit der Legislaturperiode, soll das Außenwirtschaftsgesetz auf den Prüfstand gebracht und eventuell geändert werden. Schnelligkeit ist anders. Assistiert von Jürgen Hambrecht hebt der Bundesminister hervor, dass dem Wunsch der Chinesen nach Bereitstellung von Technologie zum Klimaschutz zum Nulltarif keinesfalls entsprochen werden könne. Dies würde der deutschen Industrie beträchtlichen Schaden zufügen und stünde im Übrigen auch in Widerspruch zum Regelwerk der Welthandelsorganisation. Brüderle stimmt in den Chor derjenigen ein, die „vom asiatischen Zeitalter sprechen. Entscheidende Impulse zur Erholung der Weltwirtschaft kommen aus Asien." Aber hat er die politische und wirtschaftliche Bedeutung des Kontinents tatsächlich begriffen? Der Koalitionsvertrag, auf dessen Grundlage Brüderle seinen Ministersessel erhalten hat, ist ein feingesponnenes Werk des Lobbyismus mit Abmachungen voller erstaunlicher Details, die auf 132 Seiten ausgebreitet werden. Es ist mehr als befremdlich, dass Asien darin nur magere sechszehn Zeilen eingeräumt werden und es über China jenseits der „Lösung globaler Probleme" lediglich heißt: „Wir werden den Rechtsstaatsdialog mit China fortführen und intensivieren." Es ist zu bezweifeln, ob Brüderle gewillt ist, die Schutzzäune der deutschen Automobilindustrie niederzureißen und ihr damit doch zugleich einen Dienst zu erweisen: im Koalitionsvertrag ist das ehrgeizige Ziel formuliert, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen. Andererseits aber will sich Deutschland unter Hinweis auf die arg gebeutelten Hersteller von Nutzfahrzeugen bei der geplanten EU-Abgasverordnung als Bremser erweisen. Auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen Protektionismus und Förderung grüner Wirtschaft angesprochen, fällt dem Minister nichts anderes ein, als an der Gebetsmühle der Marktliberalen zu drehen. Man wolle die Freiheit des Konsumenten erhalten, damit dieser seine eigenen - selbstregulierten - Entscheidungen treffen könne. Es ist schon so, wie Brüderle in Beijing sagt: „Deutschland hat die Chance stärker zu werden, aber auch die Chance, zurückzufallen." Im Koalitionsvertrag sind Ansätze zu beiden Optionen enthalten und Brüderle scheint noch nicht zu wissen, wie er sich auf die Seite des Stärkeren schlagen soll. Journalisten haben erlebt, dass Brüderle ein Meister der gezielten Ungehaltenheit ist, des abgebremsten Aufbrausens, der Brüskierung, die dazu dient, seinem Gegenüber den Wind aus den Segeln zu nehmen. Aber das ist ein nur allzu leicht durchschaubarer Kniff im Spiel mit Reportern und anderen Zeitgenossen, die der Minister manipulieren möchte. Aus Beijinger Perspektive betrachtet, ist der Mann mit dem gemütlichen Namen kein „Problembär", wie Brüderle seinen Vorgänger Michael Glos genannt hat, sondern ein Knuttel-Knut, dem man nach seinem Aufwuchs zum Bundesminister jedoch besser mit sicherem Abstand begegnet. Die Maske des biedersinnigen Regionalpolitikers, die er gerne aufsetzt, ist eben genau das: eine Maske. In Wahrheit ist Brüderle ein Alphatier im Streichelzoo der Berliner Politszene. Die politischen Gewichte werden in Deutschland gewogen. Bleibt er hart im Streit um Opel, knickt er ein in Fragen der Steuerreform? Das sind vertrackte Heimspiele, bei denen er sich nicht blamieren darf. Denn gewählt wird er in Rheinland-Pfalz, nicht in Beijing. Man wird sehen.
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