04-01-2010 Beijing Rundschau
Brüderle in Beijing: Öffnung für chinesische Direktinvestitionen - Absage an Überlassung von Hi-Tech-Lizenzen
von Matthias Mersch

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle ist ein Mann von scharfem Verstand. Diese Eigenschaft ist erwähnenswert, weil sie in Deutschland keine unabdingbare Voraussetzung für ein Ministeramt ist. Brüderle hat Jura, Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und leider auch Publizistik durchaus studiert. Das merkt man ihm an, denn der Diplom-Volkswirt versteht sich auf den Umgang mit Medien. Nur die Medien haben sich noch nicht so recht an ihn gewöhnt in den wenigen Wochen seit seinem Amtsantritt: gerne wird er noch immer als Provinzler verkannt, der sich in erster Linie um die Interessen rheinischer Weinbauern sorgt. Das kommt daher, dass er sich in öffentlichen Ämtern bislang nur im kleinen Bundesland Rheinland-Pfalz bewegt hat. Er war Wirtschaftsdezernent der Stadt Mainz und von 1987 bis 1998 Minister für Wirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz.

Aus der Provinz nun also nach China, aber auch das Riesenland ist ihm nicht unvertraut: Rheinland-Pfalz unterhält eine enge Partnerschaft mit der südostchinesischen Provinz Fujian. Seit 1987 ist er rund fünfzehn Mal im Land gewesen. In so großer Gesellschaft wie diesmal ist er jedoch noch nie angereist. Seine Delegation umfasst 40 Personen, darunter Unternehmer, Politiker verschiedener Parteien und Manager wie Jürgen Hambrecht, Vorstandsvorsitzender von BASF und Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (APA). Mit dabei waren aber vor allem Journalisten, die von einer Mitarbeiterin des Ministers recht euphemistisch als „eine nicht ganz kleine Pressedelegation" gewürdigt wurden. Offenbar steckt das Motto „Gehe hinaus in die Welt und lasse darüber berichten!" hinter solchen Gruppenreisen, denn was nützt der schönste Staatsbesuch, wenn der Wähler nichts davon erfährt?

Dass die erste Auslandsreise des neuen Bundesministers für Wirtschaft und Technologie nach China führt, ist eine Handlung von hohem Symbolgehalt, und nach elf Jahren Opposition setzt die FDP verstärkt auf Symbole. Das Repräsentative des Besuchs von Brüderle wird deutlich beim Empfang der deutschen Auslandshandelskammer im Grand Hyatt um acht Uhr morgens. Finanzkrise, Klimagipfel, schwierige Transformationsprozesse der chinesischen Gesellschaft hin oder her, hier beim „Kammerfrühstück" an einem Tisch, der so reichlich gedeckt ist, dass man noch nicht einmal ein Glas Orangensaft darauf abstellen kann, ist es, als lebte man bereits in der besten aller möglichen Welten. Natürlich wird eine Vertragsunterzeichnung in Anwesenheit des Herrn Ministers nachgestellt und in den Ansprachen reichlich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der deutsch-chinesischen Beziehungen beschworen. Brüderle beweist, dass er ein guter Redner ist und ein launiger Plauderer sein kann, dessen Bildung sogar Kernsätze von Max Weber umfasst, auf dem Feld der Geschichte aber noch Vertiefung vertragen könnte.

Richard Hausmann, Chef von Siemens China und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Handelskammer in China, der den Minister zum Frühstück begrüßt, hat in China völlig zu Recht den größten Wachstumsmarkt für die deutsche Wirtschaft entdeckt. Was bleibt einem Markt von 1,3 Milliarden Chinesen auch anderes übrig als zu wachsen, wenn er im Handel mit Deutschland - wie Brüderle stolz verkündet - die 100 Milliarden Grenze überschritten hat? Wie gering entwickelt der Handel mit China tatsächlich noch ist, macht ein Vergleich deutlich: Deutschland exportiert Waren im Wert von 34 Milliarden Euro nach China, verkauft im gleichen Zeitraum aber Waren und Dienstleistungen im Wert von 39 Milliarden an die 7,7 Millionen Schweizer!

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