26-11-2009 Beijing Rundschau
Ökonomie und Herdentrieb
von Matthias Mersch

Professor Dr. Klaus F. Zimmermann ist Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Institut mit Sitz in Berlin wurde 1925 gegründet und ist mit 185 festen Mitarbeitern das größte deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut.

Klaus F. Zimmermann ist zudem Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Es ist das weltweit zweitgrößte Netzwerk von Ökonomen. Das IZA betreibt internationale Grundlagenforschung auf allen Feldern der Arbeitsökonomik und setzt wissenschaftliche Erkenntnisse in Konzepte um, die Politik und Wirtschaft als Entscheidungshilfen an die Hand gegeben werden können.

In Kooperation mit der Beijing Normal University und der Australian National University führt das IZA gegenwärtig ein auf mehrere Jahre angelegtes Projekt zur Land-Stadt Migration in China durch. Aus Anlass seines jüngsten Aufenthalts in Beijing hat die Beijing Rundschau ein Interview mit ihm geführt.

 

Der Markt für Politikberatung wächst. Experten nehmen zunehmend Einfluss auf Entscheidungen in Politik und Wirtschaft. Wie entgehen Sie der Versuchung, durch ihre Prognosen und Stellungnahmen Politik zu machen?

Es ist extrem verlockend für einen Wissenschaftler zu sagen, ich stehe über allen und sage euch, wie es ist, ich bin quasi Gott. Andererseits gehöre ich einer Generation von Führern von think tanks an, die aus der akademischen Forschung kommen. Wir waren alles Wissenschaftler, die erst einmal internationales Renommee erworben haben und dann in die Aufgabe des Politikberaters gekommen sind. Wir sind uns darin einig, keine politische Position einzunehmen. Das habe ich auch in meinem Institut gegen Wiederstände von innen und außen durchgesetzt. Wir sind nicht Meinungsmacher in dem Sinne, Agenten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zu sein. Natürlich haben wir Forschungsergebnisse, aber diese Ergebnisse dienen dazu, Ratschläge zu entwickeln und Alternativen aufzuzeigen. Die Politik muss dann selbst auswählen und Verantwortung übernehmen. Nur die Medien unterlaufen das manchmal, indem sie unsere Statements zuspitzen und so tun, als seien dies konkrete Handlungsanweisungen an die Adresse der Politik. Wir versuchen nur transparent zu machen, wo die Probleme liegen und überlassen die Entscheidung natürlich der Politik.

 

Sie halten es für wenig sinnvoll, bei der Förderung der Grünen Ökonomie auf dauerhafte Subventionierung zu setzen, selbst im Zeichen des Klimawandels befürworten Sie einen marktwirtschaftlichen Ansatz. Hat aber die Förderpolitik der rot-grünen Bundesregierung Ende der 90er Jahre nicht erheblich dazu beigetragen, dass heute in vielen Bereiche der Grünen Ökonomie eine Marktführerschaft für deutsche Unternehmen besteht?

Ich glaube schon, obwohl das nicht eindeutig nachgewiesen ist. Aber es ist schon so, dass der relative Vorteil, den Deutschland jetzt genießt, auch damit zu tun hat, dass aus politischen Gründen Fördermaßnahmen ergriffen wurden, die ökonomisch nicht rational waren.

 

Inwiefern halten Sie ordnungspolitische Maßnahmen für sinnvoll? Nehmen wir Japan als Beispiel: die hohen Umweltstandards verdanken sich dort allein den Vorgaben der Regierung. Die Industrie scheint manchmal zu ihrem Glück gezwungen werden zu müssen. Wie beurteilen sie diese Frage?

Es ist sehr schwierig, Faktoren zu erkennen, die für die Wirtschaft eines Landes erst langfristig eine Rolle spielen werden. Fördermaßnahmen sollen dazu dienen, bestimmte Dinge stark zu machen, damit sie überhaupt funktionieren. Das geschieht zum Beispiel durch das Betreiben von Industriepolitik. In diesem Sinne ist die Förderung von grüner Technologie eine aktivierende Industriepolitik. Damit versucht man, in einem Wirtschaftsbereich in Größenordnungen zu kommen, welche die Firmen in die Lage versetzen, überhaupt am Markt agieren zu können. Man müsste sich allerdings zurückziehen, sobald sich die Produkte am Markt halbwegs bewährt haben. Es stellt sich die Frage, ab wann dies der Fall ist. Und wer entscheidet, was zukunftsfähig ist? Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung glaubt nun, dass man etwas tun müsse gegen den Klimawandel. Wenn die Bevölkerung sagt, wir wollen das haben, dann ist es gerechtfertigt, Geld darin zu investieren und vielleicht auch zu verschwenden, um diesem Vergnügen nachzugehen. Es mag hinterher mehr als ein bloßes Vergnügen sein, es erweist sich vielleicht sogar als überlebensnotwendig.

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