10-12-2008 Beijing Rundschau
In der Krise ist vor dem Aufschwung
von Matthias Mersch

In Shanghai erörterten Experten aus China und Deutschland vor großem Auditorium die internationale Finanzkrise aus politischer und volkswirtschaftlicher Perspektive: fast siebenhundert Zuhörer, zumeist Absolventen von Wirtschaftsstudiengängen Shanghaier Hochschulen, waren im Theatre of the Shanghai Centre versammelt.

Am 29. November hat in Shanghai zum achten Mal das WTO-Forum stattgefunden, das von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit dem Shanghai Institute of Foreign Trade alljährlich veranstaltet wird. Das Thema ergab sich dieses Jahr von selbst: „Die globale Finanzkrise: Antworten der EU und Chinas".

Wu Kemin, Vorstandsvorsitzender des Shanghai Institute of Foreign Trade, wies bereits in seiner Eröffnungsansprache darauf hin, dass es sich beim 11. September 2001 und der Finanzkrise des Jahres 2008 wahrscheinlich um zwei Ereignisse dieses Jahrhunderts handelt, die sich dem kollektiven Gedächtnis unlöschbar einprägen werden. Die Herausforderungen, vor der die Weltgemeinschaft steht, sind groß. Zwar blicke der Westen mit einer Art verzweifelter Hoffnung nach Asien, aber der Kontinent sei mit der Rolle überfordert, zur Lokomotive eines neuerlichen Aufschwungs zu werden. Chinas Integration in die Weltwirtschaft sei zwar längst vollzogen, aber es bedarf großer Anstrengungen, wenn China sein Wachstum beibehalten, und vor allem die einseitige Exportorientiertheit seiner Wirtschaft durch Stärkung der Binnennachfrage überwinden will. Eine stabile Entwicklung Chinas helfe letztlich auch der Welt.

Auf der Suche nach dem dritten Bein

Die Hoffnung, dass Asien kurzfristig zum „dritten Bein" werden könne, das dem Tisch der Weltwirtschaft erst Stabilität verleihen würde, hält Wu für trügerisch. Neben US-Dollar und Euro sei im asiatischen Raum keine weitere Leitwährung in Sicht. China tue gut daran, seine Instrumente zur Makrosteuerung der Wirtschaft nicht aus der Hand zu legen. Er zitierte den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission und vormaligen Premier Italiens, Romano Prodi, der nicht nur Politiker, sondern Professor der Volkswirtschaft ist: „Der Markt allein führt in die Katastrophe, eine Aufsicht durch die Regierung ist nach wie vor erforderlich." Das Gesetz des Handelns allein dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen im Vertrauen darauf, dass „die unsichtbare Hand des Marktes" zauberhaft alles zum Guten wenden möge, erscheint gerade nach den jüngsten Erfahrungen wenig ratsam.

Aufschlussreich waren die Ausführungen von Wang Xinkui, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Allchinesischen Industrie- und Handelsverbandes. Ihm ging es um die Rolle, welche die Welthandelsorganisation bei der Überwindung der Krise spielen kann. Während die UNO zu stark damit beschäftigt sei, sich selbst zu verwalten, habe die WTO hohe Effizienz bewiesen. Eine besondere Erfolgsgeschichte weise sie in ihrer Politik gegen Protektionismus auf. Gerade diese Politik aber gelte es auch in Zeiten der Krise beizubehalten, wenn der Schutz heimischer Märkte zu einer verführerischen Option der Wirtschaftspolitik zu werden droht. Wang plädierte zudem für eine Politik des Angebots, nicht der Nachfrage, die seit langem überbetont worden und potentiell unersättlich sei. In einem Währungssystem ohne Goldstandard sei es leicht möglich, auch eine uferlose Nachfrage zu bedienen, aber dies fördere zugleich das Entstehen von Spekulationsblasen. Dennoch teilt Wang die Auffassung des letzten G-20 Gipfels, wonach die von der US-Notenbank betriebene Politik einer Ausweitung der Geldmenge nicht die Ursache der Krise gewesen sei. Verantwortlich sei vielmehr die Expansion des Derivatenmarktes. Ungesund sei auch die übergroße Konzentration von Dollarreserven in China und Japan und damit einhergehend die Abwertung der US-Währung.

Hans-Rimbert Hemmer, Emeritus für Volkswirtschaftslehre und Entwicklungsländerforschung an der Universität Gießen mit reicher Erfahrung in der Evaluation von Entwicklungshilfeprojekten, lieferte den notwendigen, in der aktuellen Debatte aber oft vergessenen Blick auf die Folgen der Krise für arme Bevölkerungsschichten und Armutsnationen. Hemmer kommt zu der Einsicht, dass es unter den Armen nicht ausschließlich Verlierer der Krise geben muss. Der Mehrheit aber wird sie sicher nicht Wege aus der Armut weisen. Das ergibt sich allein schon aus der Umschichtung der zur Verfügung stehenden Mittel, die moralisch bedenkliche Ausmaße angenommen hat: “In den letzten Wochen wurden zur Rettung des Finanzsystem mehr als eine Billion US-Dollar bereitgestellt. Die Gipfelkonferenz zum Millenniumsziel im letzten Monat konnte die Geberländer aber auf lediglich 16 Milliarden verpflichten."

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