10-10-2009 Beijing Rundschau
Suche nach einem robusten Motor für Wirtschaftswachstum

Wenn der amerikanische Konsument, bislang bekanntlich der  Motor globalen Wirtschaftswachstums, von der Krise gebeutelt sein Geld beisammenhält, muss sich auch der chinesische Groß-Exporteur nach neuen Kunden umschauen. Gefunden hat er einen: den Chinesen.

Lange Zeit hat der Fahrradhersteller Tandem Industries für große ausländische Warenhausketten wie Wal Mart produziert. Doch die Verkaufszahlen auf dem amerikanischen Markt gehen stetig zurück – seit September 2008, dem Beginn der Weltwirtschaftskrise, um 40 Prozent. Jetzt will Tandem seine Räder in der Heimat anbieten – mit eigenen Filialen in der Provinz Guangdong.

"Die Kaufkraft der Chinesen ist an einem Wendepunkt angelangt", sagt Tom Tseng, Manager bei Tandem. Die Löhne steigen, und bei den Konsumenten gibt es den Trend zum Erwerb von höherwertigeren Produkten. "US-Kunden greifen jetzt eher zur Billigware."

Geschäftsleute wie Tom Tseng stellen sich auf eine Entwicklung ein, die eine Folge der US-Rezession ist: Seit in amerikanischen Haushalten mehr Geld auf die hohe Kante gelegt wird – auf das Jahr gerechnet 566 Milliarden US-Dollar im zweiten Quartal 2008 – hat sich die Sparrate kontinuierlich mehr als vervierfacht. Das ist zwar wichtig, um das Finanzsystem der USA zu stärken – der Weltwirtschaft nimmt diese Entwicklung allerdings den Wind aus den Segeln. Chinas Exportunternehmen, die während der vergangenen Jahre ein solides Wachstum von 20 Prozent verzeichneten, berichten von einem Rückgang seit November 2008.

Chinesische Konsumenten geben immer mehr Geld aus, allerdings stammt ein Großteil davon aus dem Konjunkturpaket des Staates. Die Ausgaben städtischer Haushalte in China stiegen in der ersten Hälfte des Jahres 2009 um 9,2 Prozent – kein allzu großer Unterschied zum Wachstum vergangener Zeiten.

Diese dynamische Veränderung führt dazu, dass die chinesische Exportwirtschaft – nach Deutschland die zweitgrößte weltweit – ins Inland blickt. Doch wenn die Weltwirtschaft wieder erstarkt, so Ökonomen, könnte die Exportwirtschaft des Landes bald an seine Grenzen stoßen. Die Weltbank erwartet, dass China zwei Prozentpunkte seines bisherigen Wachstums von zehn Prozent einbüßen wird.

Die Rezession hat Unternehmer gelehrt, wohin engstirnige Geschäftemacherei führen kann. "Wir haben begriffen, nicht alles auf eine Karte zu setzen", sagt Tseng, ein 42-jähriger gebürtiger Taiwaner. "Wir haben zu sehr auf den US-Markt vertraut. Wenn wir schon früher aufs Inlandgeschäft gesetzt hätten, wäre der Verlust in diesem Jahr nicht so herb gewesen."

Aber der chinesische Markt ist kein Allheilmittel für die Exportindustrie. Chinesische Konsumenten haben oft nicht das Geld, um die kaufkräftige Kundschaft aus Paris oder New York zu ersetzen.

Europäer und Amerikaner pumpen jeweils mehr als 9,5 Billionen US-Dollar pro Jahr in den globalen Markt, selbst in Zeiten des Abschwungs. Haushalte in China, naturgemäß ärmer, geben lediglich 1,5 Billionen aus. Das Pro-Kopf-Einkommen in den USA lag vergangenes Jahr bei mehr als 35 000 US-Dollar. China hat dem mit 2270 Dollar wenig entgegenzusetzen. Demnach ist das Land selbst als eine Nation mit schnell wachsender Wirtschaft noch lange nicht in der Lage, die USA oder Europa als Wachstumsmotor zu ersetzen.

Die schwachen Aussichten auf Exporte hingegen (selbst wenn in den USA der Import chinesischer Waren im Juli wieder an Fahrt aufnahm) rücken den lokalen Markt in den Fokus chinesischer Hersteller.

Der Trend, für den eigenen Markt zu produzieren, könnte sogar das Problem der Produktpiraterie lösen: Ausländische Firmen, die in China ihre Produkte vertreiben und denen durch Patent-Verletzungen oder Plagiate große Verluste entstehen, gelingt es vor chinesischen Gerichten nur selten ihre Rechte durchsetzen. Das könnte sich ändern, wenn in Zukunft auch chinesische Firmen von Copyrightverstößen betroffen sind und vor Gericht ziehen.

Da amerikanische Konsumenten zögerlich sind, im bisherigen Umfang Geld auszugeben, sind Ökonomen der Ansicht, dass der asiatische Markt in die Bresche springen und so einen gewissen Ausgleich für schrumpfende Umsätze auf dem heimischen Markt schaffen könnte.

Seit 1992 produziert Tandem Fahrräder. Damals, als die Region um die Konzernzentrale in Shunde noch landwirtschaftlich geprägt war, bemühte sich die Provinzregierung um eine Ankurbelung der Wirtschaft. So wurde Tandem im Laufe der Zeit eine von zehntausenden kleineren Firmen in Südchina, deren Geschäftsmodell simpel, aber erfolgsversprechend war: Niedriglohnarbeiter fertigen Produkte für den ausländischen Markt. Sich auf die Herstellung zu konzentrieren, half den Firmen, die Kosten gering zu halten und gleichzeitig hohe Erträge zu erzielen – ohne sich um Produktentwicklung und Marketing kümmern zu müssen.

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