01-09-2009 Beijing Rundschau
Kreditkartenboom in China: Plastikgeld in allen Lebenslagen

Im Eiltempo entwickelt sich nicht nur die Volksrepublik China, sondern auch die Akzeptanz und Nutzung von Kreditkarten.

Im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 in Beijing wurde bereits ein großer Kreditkartenboom ausgelöst: Das große sportliche Ereignis, bei dem sich Beijing der ganzen Welt von seiner besten Seite zeigte, musste entsprechende Standards für die zahlreichen ausländischen Besucher gewährleisten. An allen Sportstätten und in den olympischen Dörfern wurden die modernsten Geldautomaten installiert, um den Gästen eine hundertprozentige Garantie zu geben, dass sie wie gewohnt ihre Geldgeschäfte mit der Kreditkarte erledigen können.

Die Bank of China kreierte eigens eine „Olympia-Visa-Kredikarte", verziert mit dem Emblem der 29. Olympischen Spiele und den Farben der olympischen Ringe – schon war die Begeisterung auch auf chinesischer Seite groß. Die limitierte Kreditkarte beinhaltete nicht nur besondere Serviceleistungen während der Spiele, sondern war auch wegen ihres enormen Sammlerwertes sehr beliebt.

Frau Li ist Angestellte bei der Bank of Beijing. Ihre Aufgabe ist es, binnen drei Monaten 200 Kreditkarten auszustellen. Das Risiko für die Banken bleibt dank des umfangreichen Überprüfungssystems relativ gering. Stellt ein Kunde einen Kreditkartenantrag, werden sämtliche Daten überprüft, um seine Kreditfähigkeit zu gewährleisten. Dabei spiele nicht nur der Beruf, der Familienstand und laufende Kredite bei anderen Banken eine Rolle, sondern auch Eintragungen bei der Verkehrsbehörde oder im polizeilichen Führungszeugnis. Natürlich gibt es trotzdem Lücken im System – aber dieses Risiko nehmen die Banken auf sich. „Es ist wichtig für das Überleben einer Bank, das Verhältnis zwischen Risiko und Gewinn im Gleichgewicht zu halten", sagt Frau Li. Nur so könne man langfristig Erfolg haben.

Früher war die Meinung verbreitet, dass man das Anhäufen von Schulden vermeiden sollte. Viel zu groß waren Schamgefühl und die Angst vor großen finanziellen Problemen. Bei den meisten Menschen, die vor 1980 geboren wurden, ist die Konsumfreude weiterhin eher gering. Doch vor allem unter jungen Leuten hat die neue Bezahlmethode größte Popularität erlangt. Ganz nach amerikanischem Vorbild, als hätte es keine Finanzkrise aufgrund von faulen Krediten gegeben.

Für Studenten ist es in der Vergangenheit sehr einfach gewesen eine Kreditkarte zu bekommen. Die Banken schickten ihre Mitarbeiter an die Universitäten, um die Karten mit Geschenken zu bewerben und für Studenten attraktiv zu machen.

Doch die schlechte Arbeitssituation – nur ungefähr die Hälfte aller Absolventen hat Aussicht auf einen Arbeitsplatz – und die übereifrige Nutzung der Karten ohne entsprechende Deckung machte die Studenten zu untragbaren Kunden.

Im Juni wurde ein landesweites Verbot für die Ausgabe von Kreditkarten an Studenten ausgesprochen, alte Karten können nicht verlängert werden, sondern laufen einfach aus. Im Vorfeld dieser Aktion gab es Probleme mit zahlungsunfähigen Studenten, deren Eltern auf die Barrikaden gestiegen waren. Die Schuld für die Probleme gaben sie nicht ihren Kindern, sondern den Banken. Diese würden verantwortungslos vorgehen, wenn sie einfach Kreditkarten an Studenten ohne Einkommen ausgäben.

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der chinesischen Zentralbank besagt, dass die meisten gesperrten Konten und negativen Kredite zu Kartennummern von Studenten gehören. Die Zahl der Kreditkartenschulden stieg im ersten Quartal des Jahres um 133 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Um heute eine Kreditkarte zu bekommen, müssen die Studenten außerordentliche Leistungen erfüllen, sowie eine dauerhafte finanzielle Unterstützung ihrer Eltern belegen.

Chen Ran arbeitet in einem großen Verlag und lehnt aber Kreditkarte jeder Art ab. Sie sieht vor allem die erforderlichen Angaben beim Kreditkarteantrag als einen unzulässigen Eingriff in ihre Privatsphäre. Es sei ein ungutes Gefühl, wenn die Bank alles von einem wisse, oder man sogar mit einem Diebstahl der persönlichen Daten rechnen müsse. „Wenn ich nicht genug Geld habe, dann gehe ich eben nicht einkaufen", sagt sie und ist sich bewusst, dass sie mit dieser Einstellung einer Minderheit angehört. „In meiner Generation und bei noch jüngeren Leuten haben die allermeisten eine Kreditkarte. Aber ich komme gut ohne aus." Wenn sie dann doch einmal eine größere Anschaffung machen möchte, für die das Geld nicht ausreicht, leiht sie es sich von ihrer Mutter. „Ich schulde lieber meiner Mutter Geld, als der Bank", sagt sie.

Spielte bei Einführung der Kreditkarten die Angst vor Diebstahl und Missbrauch in den Augen der Konsumenten eine wesentliche Rolle, hat man sich mittlerweile an diese moderne Zahlvariante gewöhnt. Die Zuwachsraten sind enorm, die Kreditkarten werden als Maßstab der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen. Für die Banken ist das Kreditkartengeschäft trotzdem wenig ertragreich, da die meisten Schulden schnell beglichen werden. Momentan sind mehr als 140 Millionen Kreditkarten im Umlauf, der Großteil davon in Shanghai und Beijing. Ländliche Gebiete, wo die Menschen größtenteils nicht einmal über ein eigenes Bankkonto verfügen, werden wohl auch in den kommenden Jahren nichts von diesem Trend mitbekommen. Die Landbevölkerung aber macht immerhin 56 Prozent der Gesamtbevölkerung Chinas aus. Eines aber ist sicher: der chinesische Kreditkarten-Markt ist noch lange nicht ausgeschöpft.

 
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