Mit Beijing als klarem Spitzenkandidaten für die Winterolympiade 2022 , fürchten manche, dass China eine beliebte globale Institution übernimmt. Warum sie falsch liegen – laut einer international führenden Sportexpertin
Wird Beijing 2022 Gastgeber der Winter Olympiade? Nun, da der Wettbewerb allmählich dahinschmilzt, ist das sehr wahrscheinlich. Die Besorgnis der Bevölkerung in Hinblick auf die Kosten haben Oslo, Stockholm, München und Krakau dazu bewogen, ihre Bewerbung zurückzuziehen – daher bleibt nur Almaty in Kasachstan als einziger Mitbewerber zu der gemeinsamen Bewerbung von China und der nordchinesischen Stadt Zhangjiakou.
Dass globale Megaevents den Westen verlassen, ist Teil einer umfassenden Bewegung. Wenn Beijing die Spiele 2022 gewinnt, hätte das zur Folge, dass mit den Winterspielen 2018 in Pyeonchang, Südkorea, und den Sommerspielen 2020 in Tokio, gleich drei Olympische Spiele direkt hintereinander in Ostasien stattfänden. Beijing wäre auch die erste Stadt, die zwei Olympische Spiele in so einer recht kurzen Periode (nach den Sommerspielen in 2008) beherbergen würde und die erste überhaupt, die sowohl Sommer- wie auch Winterspiele beherbergen könnte.
Aber nun scheint es, als ob der Westen den Verzicht auf die Olympischen Spiele bereuen würde.
„Dahin ist der olympische Gedanke also gekommen: Zwei autoritäre Länder weiteifern, um die Winterspiele 2022 beherbergen zu können, sie konkurrieren um eine unglaubliche finanzielle Belastung, damit sie ihr öffentliches Image polieren können," schrieb Minky Worden, die für die weltweiten Initiativen zuständige Direktorin von Human Rights Watch, in einem Kommentar in der New York Times.
Dass dies ein wenig unfair sei, findet Susan Brownwell, Professorin für Anthropologie an der University of Missouri-St. Louis und eine international anerkannte Expertin für chinesischen Sport und die Olympischen Spiele. Bei einem vom Nationalen Komitee für die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu China (NCUSCR) gesponserten Veranstaltung in New York, konstatierte sie, die Ängste über China als Gastgeber würden mehr über den Westen als über China aussagen.
„Für einige Leute geht es tatsächlich mehr um Sport als darum, die Vorherrschaft des liberalen Westens und seiner politischen Ideologie zu bewahren", meinte Brownell. „Es gibt regelrechte Schlachten zwischen rivalisierenden Interessensgruppen, die oft von Ideologien motiviert sind, die an die Zeiten des Kalten Krieges erinnern. Entwicklungsländer kämpfen einen harten Kampf um mehr Einfluss in internationalen Organisationen, wie das Internationale Olympische Komitee (IOC).
Tatsächlich sei es ja im Interesse des Westens, wenn die nicht westlichen Mächte die Kosten für diese Megaevents tragen würden, sagte Brownell weiter.
„Es unterstützt westlich orientierte, multinationale Gesellschaften ihre Netzwerke zu stärken und sich in nicht-westliche Märkte zu bewegen. Die westlichen Mächte dominieren immer noch die Wirtschaftspolitik und die aufstrebenden Länder bekommen ihre Feierlichkeiten und freuen sich über ein Symbol", erklärte sie.
Bei den Olympischen Spielen geht es um mehr als um Sport. Die Spiele dienen als Kulisse für soziale und politische Aktivitäten, informelle diplomatische Gespräche und Corporate Hosting. Dass 82 Staatsoberhäupter die Beijinger Olympischen Spiele 2008 besucht hatten, wurde oft berichtet. Diese Events sind „größer als ein G10 Gipfel, jedes Meeting der Vereinten Nationen, der Konferenz zu den Verträgen von Versailles, was auch immer", sagte Brownell. Wir wissen sehr wenig darüber, was passiert, wenn diese hochrangigen Personen an einem Ort versammelt werden, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Angelegenheiten der internationalen Sicherheit diskutiert werden und dass dies eine Gelegenheit, „uns in Richtung Weltfrieden zu bewegen," sei, fügte sie dazu.
In Sachen Business und kulturellem Austausch sind solche Spiele eine Goldgrube. Der chinesische Immobilienentwickler SOHO China gab 2008 eine Party für 1000 ausgewählte Gäste, inklusive des Medientycoons Rupert Murdoch, als sich das Unternehmen ausrichtete für bedeutende internationale Liegenschaften, wie das historische General Motors Gebäude in New York zu bieten. Die Sommerspiele in London brachten der Hotelbranche kolportierte 100 Millionen Pfund (148 Millionen USD) ein.
Dennoch, dass die Winterspiele 2022 die ersten Olympischen Spiele sind, für die es keinen westlichen Bewerber gibt, ist ein wenig beunruhigend für die westlichen Länder, sagte sie. Seit den ersten modernen Olympischen Spielen, die 1896 in Athen abgehalten worden waren, bis zu den Sotschi Winterspielen im vergangenen Jahr, waren nur fünf der 50 Spiele nicht in Nord- oder Zentralamerika, Europa oder Australien und alle dieser fünf Spiele fanden in Ostasien statt.
„In den nächsten Spielen nach Sotschi, werden die Olympischen Spiele mit den Spielen in Rio de Janeiro das erste Mal in Südamerika ausgetragen und danach sind die nächsten drei olympischen Gastgeber in Asien", sagte Brownell. Ein anderes bedeutendes globales Sportereignis, der FIFA World Cup, hat, beginnend mit dem 2010 Cup in Südafrika, gefolgt von Brasilien, Russland und Qatar in 2022, ebenfalls den Westen verlassen.
„Bedeutet diese Verlagerung der führenden Megaevents, dass sich die westliche Vormachtstellung im Abschwung befindet und dass Asien überholt? Meine Antwort ist ganz klar ‚nein'", betont sie.
Grob vereinfachte politische Ideologie und verzerrte Wahrnehmungen verstecken, was wirklich in der Welt geschieht, merkt Brownell an. Asien und China treten einer Welt bei, in der der Westen „in weiten Teilen immer noch dominiert".
„Ich glaube, dass, was China tut, der Westen schon die ganze Zeit getan hat. Ich glaube aber nicht, dass das bedeutet, dass die Vorherrschaft des Westens dadurch verschwinden wird – zumindest nicht aus der Perspektive der Olympischen Spiele"; merkt sie an.
Die Wahlen des IOC's sind stets unvorhersehbar, aber China gilt als „sichere Wette", meint Brownell. China kann solche Megaevents organisieren und das IOC kann sich sicher sein, dass alles nach Plan verlaufen wird.
Brownell spricht aus persönlicher Erfahrung. Sie war national gereihte Leichtathletin in den Vereinigten Staaten, bevor sie 1985-86 während eines Studienaufenthaltes China, dem Leichtathletikteam der Beijing Universität beitrat. Bei dem nationalen chinesischen Universitätswettbewerb repräsentierte sie Beijing und stellte einen landesweiten Rekord im Siebenkampf auf. Sie veröffentlichte mehrere Bücher über Sport und China. Darunter sind „Training the Body for China: Sports in the Moral Order of the People's Republic" und „Beijing's Games: What the Olympics Mean to China". |