25-12-2013
International
Die deutsch-chinesischen Beziehungen im Jahr 2013 - Bilanz und Ausblick
von Meng Hong

Das Jahr 2013 kann man wohl als Jahr der Wende zu einer neuen Ära bezeichnen. Nachdem im vergangenen Jahr das vierzigjährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China festlich gefeiert wurde, bringt der Regierungswechsel in China wie in Deutschland in diesem Jahr neue Chancen und Perspektiven für die weitere Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern mit sich.

Festlegung der neuen Arbeitsschwerpunkte und Hervorhebung der Prinzipien der bilateralen Zusammenarbeit

Mitte März wurden Xi Jinping und Li Keqiang in Beijing auf der 4. bzw. 5. Plenarsitzung der 1. Tagung des 12. Nationalen Volkskongresses zum fünften Staatspräsidenten bzw. siebten Ministerpräsidenten Chinas gewählt. Kurz vor Weihnachten hat sich die neue Bundesregierung unter der Führung von Angela Merkel in Berlin formiert, nachdem die von ihr geführte CDU und CSU am 22. September 41,5 Prozent der Stimmen bei der 18. Bundestagswahl erhalten und und sich die Parteien nach einem langen Tauziehen mit der SPD endgültig zur Bildung der dritten großen Koalition in der bundesdeutschen Geschichte geeinigt haben. Der über mehrere Monate hinausgezogene Prozess der Regierungsbildung in beiden Ländern hat zwar dazu geführt, dass hochrangige gegenseitige Besuche in diesem Jahr vergleichsweise weniger als im vorigen Jahr stattfanden. Die bilaterale Zusammenarbeit ist dennoch insgesamt positiv durch Kontinuität, Erweiterung und Vertiefung, und zwar nicht nur auf der bilateralen Ebene, sondern auch im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der EU und China und auf der internationalen Ebene, gekennzeichnet.

Als große Wirtschaftsmacht in der Mitte Europas und Motor der europäischen Integration ist Deutschland nach wie vor für Chinas Entwicklung von großer Bedeutung. Ende Mai flog daher Li Keqiang als neuer chinesischer Regierungschef bereits bei seiner ersten offiziellen Auslandsreise zum Antrittsbesuch nach Deutschland. In Berlin traf er mehrmals mit Angela Merkel zum Meinungsaustausch über neue Orientierungen und Schwerpunkte der bilateralen Zusammenarbeit für die kommenden Jahre zusammen. Die beiden Regierungschefs veröffentlichten im Anschluss an die Pressekonferenz eine gemeinsame Regierungserklärung über die künftige Zusammenarbeit in 20 Punkten. Li führte während seines Berliner Aufenthalts ferner Gespräche mit dem deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck und dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt sowie dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Im Rahmen des deutsch-chinesischen Wirtschaftsforums erläuterte Li in einem Vortrag zu „Deutschland und China – Zukunft gemeinsam gestalten" die aktuelle wirtschaftliche Lage in China und die Wirtschaftspolitik der neuen chinesischen Regierung im Zusammenhang mit den „vier neuen Modernisierungen". Darüber hinaus besichtigte Li das Potsdamer Schloss Cecilienhof, wo 1945 die Potsdamer Konferenz stattfand. Dabei lobte Li einerseits die kontinuierliche kritische Vergangenheitsbewältigung Deutschlands und den damit geleisteten wichtigen Beitrag zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands und zur friedlichen Entwicklung in der Region und Welt. Li erinnerte sich andererseits bei einem Interview vor dem Schloss Cecilienhof an die Potsdamer Erklärung von 1945 und die Kairoer Erklärung von 1943 und unterstrich dabei die Notwendigkeit, dass alle Länder, einschließlich Japan, von der Geschichte lernen und einen aktiven Beitrag zur regionalen wie weltweiten friedlichen Entwicklung leisten sollten. Damit lässt sich ein neuer Akzent erkennen, nämlich dass China in Zukunft bei der Bewältigung der Vergangenheitsproblematik und Bewahrung der regionalen Stabilität Deutschland als Vorbild ansieht.

Im Prozess der Globalisierung steht die Entwicklung der bilateralen Beziehungen heutzutage nicht nur unter dem Einfluss des unterschiedlichen historischen, kulturellen Hintergrunds und des abweichenden politischen und sozialen Systems sowie des differenzierten wirtschaftlichen Entwicklungszustandes beider Länder. Sie ist auch unmittelbar von der internationalen Lage und Entwicklung abhängig. Beim Zusammentreffen zwischen dem chinesischen neuen Staatspräsidenten Xi Jinping und der deutschen Bundeskanzlerin Merkel lag daher der Gesprächsschwerpunkt in diesem Jahr darin, wie die beiden Länder die in den vergangenen 40 Jahren geschaffene solide Basis bewahren und die stabile Entwicklung der bilateralen Kooperation fördern sollten. Anfang September hat Xi Jingping dies im russischen St. Petersburg am Rande des G20-Gipfels bei einem Gespräch mit Angela Merkel hinsichtlich der Leitlinie und Grundprinzipien der Förderung der deutsch-chinesischen Beziehungen am Beispiel des Trägheitsgesetzes erläutert. Demgemäß sollten die beiden Länder die bisherige positive Entwicklung fortsetzen, die hochrangigen Kontakte weiter intensivieren und das gegenseitige Vertrauen durch Regierungskonsultationen und Dialogmechanismen vertiefen. Beide Länder sollten die Zusammenarbeit im Geiste des gemeinsamen Nutzens und der gemeinsamen Entwicklung verstärkt ausbauen. Zugleich sollte man trotz Differenzen nach Gemeinsamkeiten suchen, um die künftigen Hindernisse abzubauen.

Bei der praxisbezogenen Förderung des politischen Vertrauens und der bilateralen Kooperation sind in diesem Jahr drei Veranstaltungen besonders hervorzuheben. Zum einen das 13. Symposium des Deutsch-Chinesischen Rechtsdialogs, das Anfang April in Hangzhou in der Provinz Zhejiang stattfand und von der deutschen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie dem Leiter des Rechtsamts des chinesischen Staatsrats, Minister Song Dahan, persönlich eröffnet wurde. Rund 90 Juristen, Beamte, Richter und Rechtsanwälte sowie Fachexperten aus Deutschland und China haben zwei Tage lang intensiv über Regelungssysteme zur Vermeidung und Beilegung von Verwaltungsstreitigkeiten diskutiert und entsprechende Vorschläge gemacht. Zum anderen wäre der Mitte Mai durchgeführte 11. Deutsch-Chinesische Menschenrechtsdialog in Yinchuan im Autonomen Gebiet Ningxia der Hui-Nationalität zu nennen. Dabei ging es um Fragen zur Lage der Wanderarbeiter und deren Arbeits- und Lebensbedingungen, die Situation nationaler Minderheiten sowie den Einfluss der Finanzkrise auf den Schutz der Menschenrechte. Drittens zählt die zehntägige Veranstaltung „Zukunftsbrücke: Chinese-German Young Professional Campus" dazu, die Ende Mai bzw. Anfang Juni in Berlin bzw.Essen stattfand. Jeweils 15 Teilnehmer aus China und Deutschland im Alter zwischen 28 und 38 Jahren haben daran teilgenommen. Trends, Visionen und Fallbeispiele sozialer Dimensionen nachhaltiger Entwicklung sowie politische Herausforderungen für Nachhaltigkeit in beiden Ländern standen im Vordergrund der Gespräche. Veranstaltungen dieser Art haben nicht nur das Verständnis, sondern auch persönliche Freundschaften zwischen hochqualifizierten Nachwuchskräften und Fachleuten aus beiden Ländern gefördert.

Förderung der deutsch-chinesischen Wirtschaftszusammenarbeit im Rahmen der „vier neuen Modernisierungen" in China

In den Bereichen Wirtschaft und Handel hat sich der Schwerpunkt der bilateralen Zusammenarbeit in diesem Jahr aufgrund der neuen Entwicklung in China hinsichtlich Industrialisierung, Informationsgesellschaft, Urbanisierung und landwirtschaftlicher Modernisierung leicht verlagert. Als Li Keqiang Ende Mai Deutschland besuchte, setzte er den Hauptschwerpunkt der bilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit dementsprechend auf die industrielle Produktion, Informationstechnologie und Telekommunikation, Umweltmanagement und Bauwirtschaft sowie die landwirtschaftliche Modernisierung. Dafür hat er zusammen mit Bundeskanzlerin Merkel ein neues Dialogforum für Landwirtschaftsminister ins Leben gerufen, um die Zusammenarbeit in den Bereichen Ernährungssicherheit und nachhaltige Nutzung von Ressourcen zu fördern. Hinsichtlich der weiterhin bestehenden weltweiten Finanzkrise haben die beiden Regierungschefs zudem das Dialogforum zwischen Finanzministern und Direktoren der Zentralbanken geschaffen. Ferner wurde eine deutsch-chinesische wirtschaftliche Beratungskommission ins Leben gerufen und in Berlin eine chinesische Industrie- und Handelskammer sowie eine Investitionsförderanstalt errichtet. Die bilaterale Zusammenarbeit sollte sich mit Hilfe dieser Maßnahmen schließlich auf der Überholspur und mit höherer Geschwindigkeit entwickeln können.

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