08-06-2012
International
Brückenbauer
von Elias Schwenk

Vor kurzem veröffentlichte die Naturschutzorganisation WWF ihren Bericht zum weltweiten Ressourcenverbrauch. Gleichzeitig wurde das Thema auch von deutschen und chinesischen Führungskräften im Rahmen der Initiative „Zukunftsbrücke" diskutiert. Ein Ausblick.

Eine Brücke zwischen den Kulturen: In den Pausen zwischen den Sitzungen konnten sich die Teilnehmer auch persönlich kennen lernen. (Foto: Stiftung Mercator)

Die Teilnehmer der „Zukunftsbrücke" beim gemeinsamen Gruppenfoto mit Botschafter Michael Schaefer. (Foto: Stiftung Mercator)

Eineinhalb Erden. Verkürzt auf zwei Worte ist das die Aussage des „Living Planet Report", der vor kurzem von der Naturschutzorganisation WWF veröffentlicht wurde. Die Forscher kommen darin zu dem Schluss, dass die Menschheit zurzeit anderthalb Mal so viele Ressourcen verbraucht wie unser Planet zu regenerieren im Stande ist.

Mit dem alle zwei Jahre veröffentlichten Bericht wollen die Forscher den Menschen ökologisches Bewusstsein einbrennen. Die Lösung: Jeder Einzelne soll im kleinen dazu beitragen, den Ressourcenverbrauch einzudämmen. Auf ihrer Webseite gibt die Organisation dazu Tipps: Wasserkocher statt Herdplatte, zertifiziertes Recyclingpapier und Deckel auf die Kochtöpfe. Bottom-up heißt diese Strategie in der Fachsprache, von unten nach oben. Jeder kann mit seinem Verhalten dazu beitragen, dass sich der „Markt" insgesamt ändert.

Zwei Tage nach der Veröffentlichung des Berichts findet in Beijing die Eröffnungsfeier des CCTV-Towers statt, dem neuen Wahrzeichen in der Skyline der Hauptstadt und auf den ersten Blick eine Demonstration der Verschwendungssucht in China.

Dem sei jedoch nicht so, meint Ole Scheeren, der das Gebäude gemeinsam mit dem niederländischen Stararchitekten Rem Koolhaas entworfen hat und vor Ort die Bauarbeiten leitete. Am Tag nach der Eröffnungsfeier sitzt er in einem Konferenzraum des Hotels Kempinski in Beijing. Lässig erzählt er von der Effizienz des Gebäudes, in dem bis zu 10 000 Menschen gleichzeitig arbeiten sollen, von seiner direkten Anbindung an das U-Bahn-Netz, was die öffentlichen Verkehrsmittel für die dort Arbeitenden attraktiver macht, und von der Parkanlage, die rund um das Gebäude entsteht.

Seine Zuhörer: Junge Wissenschaftler, Städteplaner, Diplomaten, Führungskräfte von Siemens, RWE und Weltbank. Chinesen und Deutsche, sie sind zwischen 28 und 38 Jahren alt. Alle verbindet ein gemeinsames Ziel: den Ressourcenverbrauch nachhaltig durch unsere eine Erde zu decken.

 

Eine Brücke in die Zukunft

Klar ist: Um eine volle Waschmaschine geht es bei dem 10-tägigen Treffen mit dem Titel „Zukunftsbrücke: Chinese-German Young Professional Campus" nicht. Man logiert in einem der besten Hotels der Stadt, zum abendlichen Dinner wird Champagner aufgeboten, für die zweite Hälfte des Seminars jetten die Teilnehmer ins ostchinesische Hangzhou.

„Ich glaube nicht, dass wir hier noch Grundlagenarbeit, mit Blick auf Überzeugungsarbeit, leisten müssen, alle, die hier mitmachen, kennen das Problem der nachhaltigen Entwicklung", meint Marc Bermann von der Stiftung Mercator, die das Projekt initiierte und es nun gemeinsam mit ihren Partnern organisiert. Dann kommt er zum eigentlichen Punkt: „Wir verfolgen die top-down-Strategie. Wir wollen mit dem Thema Nachhaltigkeit auf eine bestimmte Ebene kommen und dabei auch die Politik beeinflussen" Top down, von oben nach unten. Man steigt oben ein, das setzt also einen bestimmten Standard voraus.

Die Idee ist nicht neu. Auch der WWF verfolgt den Ansatz, die Einflussreichen dieser Welt von seinen Ideen zu überzeugen. Doch dabei allein bleibt es bei der „Zukunftsbrücke" nicht.

 

Interkultureller Austausch

Inspiriert wurde die „Zukunftsbrücke" von der 1952 gegründeten „Atlantik-Brücke", einem Verein, der den Austausch zwischen Europa und Nordamerika fördert. In einem offenen Bewerbungsverfahren suchten jetzt die Veranstalter junge Führungskräfte aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Medien und Verwaltung – zu gleichen Teilen aus Deutschland und China. Ausgewählt wurden schließlich Teilnehmer wie Shen Xuejun, Vizepräsident von Siemens China, Markus Steigenberger von der European Climate Foundation oder Chen Shaofeng, Professor an der Peking Universität.

„Es geht uns vor allem auch darum, Vertrauen zu schaffen", meint Marc Bermann in Anspielung auf den Namen der Veranstaltung. „Wir brauchen mehr Austausch und Vertrauen zwischen China und dem Westen, um uns den gemeinsamen Herausforderungen zu stellen!"

Die Herausforderung ist unübersehbar. „CO2-armes Wirtschaften und nachhaltige Stadtentwicklung" ist der Schwerpunkt des Seminars. Dort sieht auch der WWF-Bericht Handlungsbedarf: 70 Prozent der CO2-Emissionen durch fossile Brennstoffe entstehen in den Städten der Welt. Dabei ist der Ressourcenverbrauch der Einwohner Beijings beispielsweise fast dreimal so hoch wie der chinesische Durchschnitt.

Mit Podiumsdiskussionen, Expertenvorträgen und Diskussionen in Kleingruppen versuchen die Teilnehmer dem Thema Herr zu werden. Auf einer Tafel werden Gesichtspunkte zusammengetragen, die Hoffnung machen sollen: „Die erneuerbaren Energien werden erschwinglicher", steht da. „Der Wettbewerb wird uns weiterbringen" und „Wachsendes Bewusstsein in Deutschland und China". Dem gegenüber stehen die Gefahren: „Zeitdruck", „Ausweitung des Ressourcenverbrauchs" und „Verfehlung der gesetzten Ziele".

Zwischen den Seminareinheiten geht´s immer mal wieder raus aus dem Konferenzraum, in die Hutongs von Beijing oder zur Großen Mauer. Dabei sollen die Teilnehmer dann auch persönliche Kontakte untereinander knüpfen. „Ich bin wirklich positiv überrascht von den chinesischen Teilnehmern!", mein Niklas Niemann, strategischer Berater bei RWE. „Ich hatte sie viel zurückhaltender eingeschätzt, aber sie machen richtig Dampf und bringen die Diskussionen voran! Auch außerhalb des Konferenzraums versteht man sich prima."

Einige Teilnehmer planen schon jetzt, sich auch neben den Seminaren auszutauschen und gemeinsam zu arbeiten. Die Stiftung Mercator hat bei derartigen Projekten bereits ihre Unterstützung angeboten, in Betracht kommen beispielsweise informelle Zusammenkünfte in der Berliner Zentrale der Stiftung.

Von oben nach unten oder von unten nach oben? Solange man die gleichen Ziele verfolgt, widersprechen sich beide Ansätze nicht. Vielleicht trifft man sich ja eines Tages in der Mitte. Das Projekt „Zukunftsbrücke" steht gerade erst am Anfang. Über Erfolg und Misserfolg entscheiden die nächsten Jahre, wenn klar wird, ob die Zukunftsbrücke begehbar ist. Hoffentlich bleibt genug Zeit. Über das Gelingen des Kampfes gegen den CO2-Verbrauch entscheidet jedoch auch jeder von uns selbst ...