22-07-2011
International
Aufklärung und Kunst: „Aufklärung im Dialog" zweiter Teil
von Zeng Wenhui

Professorin Jeong-hee Lee-Kalisch, die sich mit der Kunstgeschichte Ostasiens befasst, ist der Meinung, dass in gewissem Sinne Aufklärung in der chinesischen Kunstgeschichte schon lange stattgefunden habe. Es hat in der chinesischen Kunstgeschichte viele Individualisten und realistische Darstellungsweisen gegeben. Auch fehlte es nicht an Emanzipation gegenüber Tradition und Konvention. Sie denke dabei vor allem an Poeten und Maler wie Tao Yuanming (365-427), Su Dongpo (1037-1101) und Bada Shanren (1626-1705). Aufklärung in der Kunst heißt aber auch, dass man öffentlich debattieren darf, dies sei aber erst Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts der Fall gewesen und gehe einher mit der Öffnung der kaiserlichen Sammlungen für Besucher und der Veranstaltung von Ausstellungen europäischer Kunst in China. Von der heftigen Diskussion in Deutschland anlässlich der Eröffnung der Ausstellung über die Kunst der Aufklärung in Beijing sei sie überrascht und unangenehm berührt gewesen, als ginge es darum, den Chinesen durch das Thema der Ausstellung eine Botschaft zu übermitteln. Als Jeong-hee Lee-Kalisch in Deutschland eine Ausstellung über die Kunst des tibetischen Buddhismus kuratierte, sei es ihr doch auch nicht darum gegangen, die Deutschen zum Buddhismus zu bekehren, sondern ihnen zu zeigen, was buddhistische Kunst ist. Die Kunst der Ausstellung sollte in China zu einem besseren Verständnis der europäischen Kultur beitragen.

Zhu Qingsheng fällt auf, dass die Ausstellung durch Deutschland und nicht durch Frankreich organisiert worden ist. Das erinnert daran, dass Deutschland im Zeitalter der Aufklärung in einer vergleichbaren Situation gewesen sei, wie heute China inmitten seiner „Reform und Öffnung". Die Deutschen waren sich bewusst, dass ihr Land Öffnung und Veränderung brauchte, aber die Hauptgedanken der Aufklärung stammten aus anderen Ländern und Deutschland wollte eigenes Gedankengut nicht zugunsten fremder Vorstellungen aufgeben. Ein Bedarf an Öffnung unter Festhalten an eigenen nationalen Traditionen schafft eine Aufklärung anderer Art, die sich sicher auch in der Kunst reflektiert, was man in dieser Ausstellung vielleicht entdecken kann.

 Chen Lusheng, stellvertretender Direktor des National Museum of China, erklärt der Beijing Rundschau, dass diese großartige Ausstellung für chinesische Besucher vielleicht ein wenig schwer zu verstehen sei. Die Mehrheit der Besucher der Ausstellung sei noch nie in Europa gewesen, und wisse nur wenig über die Geschichte der Aufklärung: „Die Bildung der Volksmassen ist ein länger dauernder  Prozess. Wir sollten Zuversicht haben." In der westlichen Welt verfügten die Museen bereits über eine Geschichte von mehreren hundert Jahren, das National Museum of China hingegen feiert nächstes Jahr gerade einmal das 100. Jubiläum seiner Gründung.

„Es kann sein, dass die Besucher heute die Ausstellung der Kunst der Aufklärung noch nicht verstehen, auch das nächste oder übernächste Mal noch nicht. Aber wenn sie erst einmal einen Kontakt mit dem Museum aufgebaut haben, und das Museum für sie ein Ort der Erholung und der Freizeit geworden ist, können sie später – wenn sie längst wieder zuhause sind – aus dem Internet noch mehr über die Ausstellung erfahren", meint Chen. „Die Ausstellung möchte den Chinesen den Westen näher bringen, das Forum will den Chinesen die Ausstellung näher bringen!"

Als wissenschaftliches Begleitprogramm der Ausstellung „Die Kunst der Aufklärung" veranstaltet die Stiftung Mercator gemeinsam mit dem National Museum of China die Reihe „Aufklärung im Dialog". Das Programm besteht aus fünf Dialogblöcken während der gesamten Dauer der Ausstellung vom Frühjahr 2011 bis zum Frühjahr 2012. Im Abstand von rund zwei Monaten diskutieren chinesische und europäische Wissenschaftler im National Museum of China über verschiedene Facetten der Aufklärung.

 

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