Griechenland ist wegen der Gefahr eines Staatsbankrotts und der darauffolgenden drastischen Sparmaßnahmen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Am 2. Mai 2010 haben Finanzminister der Mitgliedstaaten der Eurozone entschieden, Griechenland 110 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, obwohl die Verträge zur Währungsunion die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Zahlungsfähigkeit der Partnerländern ausschließen. Eine Woche darauf folgte das Stabilitätspaket in Höhe von 750 Milliarden Euro. Unter der prekären Lage des griechischen Staatshaushalts hat die Stabilität der gemeinsamen Währung stark gelitten. Der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar ist auf den tiefsten Punkt seit vier Jahren gefallen und bewegt sich nun um 1,24 US-Dollar. Pessimistische Analysten prognostizieren sogar das Ende der Währungsunion, falls die Griechenlandkrise eskaliere.
Warum ist die Griechenland-Krise ausgebrochen?
Cui Hongjian, Direktor der Europaabteilung am Institut für Internationale Studien meint, die Ursache hierfür liege in der relativen Schwäche der griechischen Wirtschaft, die gegenüber Manipulationen und Turbulenzen auf dem internationalen Finanzmarkt nicht stabil sei. Entscheidender sei aber die ungesunde Finanzstruktur des Landes. Das Land lebe auf Kredit und die öffentliche Hand sei hoch verschuldet. Statt in die industrielle Entwicklung, Wissenschaft oder zukunftsorientierte Innovationsbranchen fließen die Kredite zum größten Teil in den Konsum, so Cui weiter. Zwar habe der Staat damit der Bevölkerung einen relativ hohen Lebensstandard und teils sogar Wohlstand gewährt, was aber langfristig gesehen nicht nachhaltig sein könne.
Zhou Jizhong, Professor an der Shanghaier Finanz- und Wirtschaftsuniversität meint, angesichts der heutigen Situation sei Griechenland nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft den Schuldenberg abzubauen. Ohne Unterstützung der EU sei ein Staatsbankrott unvermeidlich.
There is no free lunch in the world -- die Hilfspakete für Griechenland sind mit strengen Auflagen verbunden: Das Land müsse in den kommenden drei Jahren harte Sparmaßnahmen umsetzen und sein Finanzsystem grundlegend reformieren. Wenn ihm dies nicht gelänge, bestünde die Gefahr, dass Griechenland aus dem Euroraum ausgeschlossen würde, so Cui.
Die EU übe einerseits Druck auf Griechenland aus, andererseits werde sie natürlich mit allen Mitteln vermeiden, dass sich in Griechenland tatsächlich ein Staatsbankrott ereigne, so Cui. Sonst würde nicht nur Griechenland, sondern auch der ganze Euroraum in Mitleidenschaft gezogen werden.
Nach Cuis Meinung wirke das Hilfspaket in Höhe von 750 Milliarden Euro symbolisch. Das Ziel liege eher darin, den Marktbeteiligten Zuversicht zu geben, Kapitalflucht aus Griechenland zu vermeiden und schließlich eine Chance zur Refinanzierung zu schaffen.
Warum hat die EU so lange mit dem Hilfspaket gezögert?
Erste Anzeichen für eine Finanzkrise in Griechenland haben sich bereits im Oktober 2009 gezeigt. Als EU-Mitgliedsstaat hat Griechenland zunächst keine Hilfe von den Partnerländern bekommen. Cui führt diese Verzögerung auf die komplexen Beziehungen zwischen den 27 EU-Mitgliedern zurück. In den gültigen EU-Verträgen ist keine Hilfspflicht vorgesehen, wenn Staatshaushalte in Schieflage geraten. Deswegen sei am Verhandlungstisch sehr heftig darüber debattiert worden, wie man Griechenland retten könne und wer dafür bezahlen solle, so Cui weiter. Es sei außerordentlich schwierig, die Positionen so vieler Mitgliedsstaaten zu koordinieren.
Fast zeitgleich zum Ausbruch der Griechenland-Krise ist der damalige belgische Premierminister Herman van Rompuy zum ersten EU-Präsident gewählt worden und der Lissabon-Vertrag in Kraft getreten. Parallel dazu eskalierte die Schuldenkrise in Griechenland und breitete sich über die gesamte Eurozone aus, wodurch die Gemeinschaftswährung sehr belastet wurde. Cui meinte, als Gemeinschaftswährung habe der Euro die Wirtschaft der Mitglieder enger zusammengebunden, aber – um im Bild zu bleiben – zugleich auch aneinandergefesselt. Findet eine Finanzkrise in einem Land statt, das nicht der Eurozone angehört, so könne man diese Krise durch Abwertung der Landeswährung mildern oder sogar gänzlich überwinden. Die Folgen der Krise werden so nur schrittweise in die großen Wirtschaftsräume übertragen. Die Eurozone habe zwar eine gemeinsame Währung, aber noch keine einheitliche Finanzpolitik, weshalb sie nicht flexibel auf Krisen reagieren und Schulden abbauen könne.
Abwertung des Euro – Ein zweischneidiges Schwert
Professor Zhou Jizhong sieht in die Abwertung der Euro größere Chancen für die europäischen Exporteure, denn ihre Produkte würden so konkurrenzfähiger. Dies könne dazu dienen, den Überschuss Chinas im Handel mit der EU abzubauen. Aufgrund der Abwertung des Euro ist die Eurozone attraktiver für chinesische Investoren geworden. Aber es könne auch sein, so Zhou, dass der Handelsprotektionismus in Ländern wie Griechenland und Portugal zunehme, was sich dann in einer feindlichen Haltung gegen ausländische Investitionen niederschlägt. Zudem wird wegen der Euroschwäche die gesamte Kaufkraft in der Eurozone schrumpfen, was sich sicherlich auch negativ auf die chinesische Exportindustrie auswirken wird.
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