11-02-2009 Beijing Rundschau Der Rücktritt des Bundeswirtschaftsministers im Spiegel der Presse
In der “Süddeutschen Zeitung" kommentierte Nico Fried: “Und bei allem, was man gegen Michael Glos sagen kann, ist es doch sein großes, ja vielleicht sein bleibendes Verdienst, dass er einen Konflikt gewagt hat, dem Merkel seit Monaten aus dem Weg gegangen ist: den Konflikt mit Horst Seehofer. (…) Was aber in jedem Fall von diesen Tagen bleiben wird, ist der tiefe Blick in viele Schwächen der Union: personell sowieso, inhaltlich, aber auch was das Verhältnis von CDU und CSU, von Merkel und Seehofer betrifft. Angesichts dieser Perspektive könnte man die Kanzlerin sogar verstehen, wenn sie am liebsten alles ließe, wie es bisher war." Über das Karussell der Amtsnachfolge schreibt die gleiche Zeitung: “In der CSU wurde Glos’ Staatssekretärin Dagmar Wöhrl als mögliche Nachfolgerin gehandelt, zugleich aber als politisches Leichtgewicht abqualifiziert. Landesgruppen-Chef Peter Ramsauer sperre sich, den Posten zu übernehmen. Zudem müsse der bayerische Proporz bedacht und das Amt wieder mit einem Franken besetzt werden. Glos stammt aus Unterfranken und steht seit 1993 dem dortigen CSU-Bezirksverband vor. Dieses Amt werde er aufgeben, kündigte er am Samstag an." Das in München erscheinende Boulevard-Blatt “Abendzeitung” handelte frühzeitig den CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg als Amtsnachfolger und lag damit ebenso richtig wie die kleine Lokalzeitung “Die Oberbadische” aus dem Dreiländereck Deutschland, Schweiz, Frankreich, während die großen überregionalen Zeitungen in ihren Montagsausgaben den Nachfolger noch nicht präsentieren konnten: “Die SPD frohlockt. Offiziell halten sich die Spitzengenossen mit Kommentaren noch zurück. … Insgeheim jubelt die SPD aber über die von Glos ausgelöste jüngste Wendung. Passt sie doch genau in das Bild, das die Sozialdemokraten von Merkel zeichnen: eine Kanzlerin und Parteivorsitezende, die ein gutes halbes Jahr vor der Wahl im eigenen Lager keine Autorität mehr hat, vor allem bei der CSU nicht." Holger Schmale in seinem Kommentar in der “Berliner Zeitung": “Jeder weiß, dass Glos für sein Amt nicht geeignet ist, nun hat er sich noch selber für amtsmüde erklärt und seinen Rückzug angeboten. Worauf also noch warten? Alle sprechen von der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Krieg. Da darf man doch erwarten, dass die Regierungsparteien ihre besten Leute ins Kabinett schicken, und zumal auf den Posten, der eine zentrale Bedeutung für die Bewältigung der Krise haben könnte. Es sollte doch der Union, die sich so viel auf ihre Wirtschaftskomptenz zu Gute hält, nicht schwer fallen, geeignete Kandidaten aufzubieten." Der Ex-Präsident des Industrieverbandes BDI, Hans-Olaf Henkel redet in der “Financial Times Deutschland" von einem Skandal, der darin läge, “dass Herr Glos nicht die Kanzlerin, sondern seinen Parteivorsitzenden um die Entlassung bitten musste." Dies zeige “die totale Allmacht deutscher Parteien. Unsere Kanzler wählen nicht ihre Minister aus, sie werden ihnen von Parteivorsitezenden ins Kabinett gesetzt, leider oft ungeachtet ihrer Fähigkeiten. Dass Minister allein nach ihrer Kompetenz ausgewählt würden, wie zuletzt durch US-Präsident Barack Obama, ist hier undenkbar. Er ernannte sogar drei Republikaner! In Deutschland entscheidet weniger die Kompetenz über die Auswahl eines Ministers als seine Position in der Partei." Die “Financial Times Deutschland" spricht von der “späten Rache eines Glücklosen” und schreibt: “Chaos-Tage in der CSU: Wirtschaftsminister Michael Glos fühlt sich gemobbt. Mit einem spontanen Rücktrittsgesuch rächt er sich an Parteichef Horst Seehofer. Am Ende sind alle beschädigt.”
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