15-12-2009 Beijing Rundschau
Kontroverse um BASF-Pläne in Chongqing
von Rebecca Sumy Roth

Es herrscht Goldgräberstimmung in Chongqing. Das verwaltungstechnisch größte Stadtgebiet der Welt liegt direkt an den steilen Ufern des Jangtse-Flusses, dem größten und wichtigsten Fluss Chinas. Breit und gemächlich fließt er dahin. Links und rechts von ihm schießen Hochhäuser aus dem Boden wie Pilze nach dem Regen. Zwischen den Betontürmen herrscht ein Getümmel an Überführungen, Straßen und Hochstraßen. Die Stadt ist ein Handelsknotenpunkt, das Tor zu ganz Westchina. Chongqing boomt und zieht Investoren aus dem In- und Ausland an. Mitsubishi Gas Chemical Company, China National Petroleum Corporation, Sinopec und BP haben sich schon in einem großen Chemiepark bei Chongqing niedergelassen. Und nun will auch das deutsche Chemieunternehmen BASF investieren.

400 000 Tonnen MDI, Rohmaterial für Schaum- und Dämmstoffe, will die Firma ab 2014 hier produzieren.

Kämpferischer Naturschützer

Doch genau dieser Plan von BASF, im Gebiet Chongqing ein riesiges neues Chemiewerk aufzubauen, bringt Wu Dengming, Gründer der Umweltschutzorganisation „The Green Volunteers of Chongqing" auf die Palme: „Dieses Werk würde direkt an den Ufern des Jangtse liegen. Da dieser Abschnitt vor dem Jangtse-Staudamm den Zweck eines Wasserreservoirs erfüllt, wäre das unter Umständen ein großes Problem. Im Falle eines Chemieunfalls wären der Mittellauf und der Unterlauf des Flusses betroffen, das heißt also mehrere Millionen Menschen und ein riesiges Einzugsgebiet. Allein schon die Ausmaße einer möglichen Katastrophe sind unglaublich und erschreckend."

Wu Dengming ist 70 Jahre alt, doch das sieht man ihm nicht an. Knallrote Socken und ein knallrotes T-Shirt unterstreichen sein kämpferisches Naturell. 10 000 Freiwillige für den Schutz des Jangtse-Flusses konnte er gewinnen. Dafür durfte er im letzen Jahr sogar das olympische Feuer tragen - ein Zeichen der Anerkennung für sein Engagement für die Umwelt. Entsprechend selbstbewusst hat sich Wu Dengming nun den deutschen Chemiegiganten BASF vorgenommen. Zwei giftige Stoffe, die bei der Herstellung von MDI verwendet werden, machen ihm besondere Sorgen, wenn sie bei einem Zwischenfall austreten und in den Jangtse geraten sollten, wäre dies besonders problematisch. Denn in der Region Chongqing und Sichuan leben mehrere Millionen Menschen, die Ihr Trinkwasser direkt aus dem Fluss beziehen. Sollten Giftstoffe ins Wasser geraten, wäre das nicht nur eine Umweltbelastung, sondern eine direkte Lebensgefahr für die Bevölkerung, argumentiert Wu Dengming.

Erfahrener Planer

Sie hätten verschiedenste Sicherheitsmaßnahmen eingeplant, das Risiko sei also äußerst begrenzt, beteuert dagegen BASF Manager Jaak van Steen. Die Anlage, die sie in Chongqing bauen möchten, soll die weltweit modernste Anlage von BASF werden, begeistert er sich. Zum Beispiel würde die neue Anlage 50 Prozent weniger Abwasser im Vergleich zu den anderen MDI Anlagen von BASF verursachen. Van Steen hat für BASF schon mehrere Chemiewerke gebaut, in denen MDI produziert wird. Das erste in seiner belgischen Heimat Antwerpen, später ging er für BASF nach Deutschland, in die USA, nach Shanghai und nun vor kurzem nach Chongqing. Noch immer steckt der 61-jährige voller Pioniergeist. Und ist erfahren genug, kritische Fragen abzubügeln: 130 Jahre Erfahrung beim Bau von Chemiewerken habe man bei BASF. Man solle sich doch nur den Hauptsitz des Global Players in Ludwigshafen ansehen. Die Fabriken liegen direkt am Rhein, in einer Stadt mit 163 000 Einwohnern, in der BASF problemlos integriert sei. Im Übrigen sei auch der Rhein eine Trinkwasserressource. Das geplante Werk bei Chongqing sei hingegen sieben bis acht Kilometer vom Jangtse entfernt. Das Risiko sei also äußerst begrenzt.

Wozu dann das Werk überhaupt in der Nähe des Jangtse gebaut werden solle? Nun ja, das Werk könnte natürlich auch woanders stehen, räumt van Steen ein. Doch man folge der „Go West Strategie", dem Aufruf der chinesischen Regierung in Zentral- und Westchina zu investieren. Eine Wirtschaftskampagne, die seit 2000 ausländische Investoren mit Hilfe verschiedener Vergünstigungen in die weniger entwickelten West- und Zentralprovinzen Chinas zu locken versucht. So sollen vor Ort Arbeitsplätze entstehen, eine ganz neue Industrielandschaft geschaffen werden. Hoffnungen, die auch van Steen überzeugend zu bedienen weiß: Bis zu 30 000 Arbeitsplätze könnten mit dem Aufbau des neuen Chemiewerks in Changshou und Umgebung für ein paar Jahre entstehen - wenn man alle Bauarbeiter, Restaurantangestellte, und alle Angestellte von Zulieferfirmen mit einberechnet. Und natürlich all die Arbeiter der Firmen, die dann vielleicht nach Changshou ziehen würden, um dort das von BASF gelieferte MDI direkt weiterzuverarbeiten. Dämmmaterial für Kühlschränke und für Häuser lässt sich aus MDI herstellen, Schuhsohlen, Sitzpolster und vieles mehr. Eine ganze Industrie für diese Waren könnte sich also im Umfeld um das geplante BASF-Werk entwickeln. Die Region würde durch all die neuangesiedelte Industrie einen bedeutenden Aufschwung erfahren.

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