09-01-2013
Korrespondenten der BR
Luxustraum für Geringverdiener
von Zhou Xiaoyan

Xiamen baut bezahlbaren Wohnraum für seine weniger verdienenden Bewohner

 

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Fühlt sich wie im Himmel: Chen Liying in ihrer Wohnung in der Gemeinde Gaolin. (WEI YAO)

 
 

Chen Liying erinnert sich an das Elend in ihrem alten Haus. „Das Dach war so dünn, dass ich jede Nacht die Mäuse heraufklettern hörte. Es fühlte sich an, als würden sie über meinem Kopf tanzen, während ich schlief."

Chen arbeitete für eine Baufirma in Xiamen, eine Stadt in der Küstenprovinz Fujian im Südosten des Landes. 15 Jahre lang lebte sie mit ihrem Mann, der als Fahrer für die gleiche Firma arbeitete, und ihrer Tochter in einem Firmenschlafsaal. Der Saal war 20 Quadratmeter groß und die drei teilten sich einen einzigen Schlafraum, ein Vorhang diente als Abtrennung. Bad, Küche und Toilette mussten sie gemeinsam mit den anderen Familien benutzen.

"Ich musste auch mitten im eisigen Winter nachts raus, um die öffentliche Toilette zu benutzen. Es hat mich fast umgebracht", sagt sie.

Da die Firma häufig in die Nähe ihrer aktuellen Bauprojekte umzog, wurden die Schlafräume der Mitarbeiter schnell hochgezogen und waren für ein menschenwürdiges Leben, vor allem für Familien, völlig ungeeignet.

Im März 2010 gab es endlich gute Nachrichten für Chen. Sie wurde als Bewohnerin des Projekts des Wohnungsbaus für sozial Bedürftige und durchschnittliche Verdienende in der Gemeinde Gaolin ausgewählt. Das Projekt umfasst eine Reihe von Apartment-Hochhäusern, die von der Stadtregierung subventioniert wurden. Drei Jahre lang hatte Chen auf diese Meldung gewartet. 

Einige Wochen später zog sie in ihre neue 62 Quadratmeter große Zweizimmer-Wohnung, für die sie nun 314,5 Yuan (38,82 Euro) Miete zahlt.

"Es fühlt sich an, als würde ich von der Hölle in den Himmel kommen", sagt die 55-Jährige, die 2007 in Rente ging.

Xiamen hat in den vergangenen Jahren mehrere Projekte des Wohnungsbaus für sozial Bedürftige und durchschnittlich Verdienende realisiert, Es gibt elf Viertel mit solchen Wohnungen, die menschenwürdigen Wohnraum zu vernünftigen Preisen für die weniger verdienenden Einwohner anbieten. Außerdem versucht die Stadtregierung, in den Bewohnern ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Wohngegend zu schaffen. Aber es bleibt eine Herausforderung und hält die Regierung auf Trab, in solchen Vierteln für gute Lebensbedingungen zu sorgen. 

Besser wohnen, besser leben

Xiamen begann 2006 mit dem Bau erschwinglichen Wohnraums. Bislang hat die Stadt 53.204 Wohneinheiten des Wohnungsbaus für sozial Bedürftige und durchschnittlich Verdienende errichtet, 40.233 weitere sind geplant. Bis Ende September hat die Stadt nach Angaben des Bau- und Verwaltungsamtes Bewerbungen von rund 37.000 Familien erhalten und 23.000 bewilligt. Die Bauarbeiten in der Gemeinde Gaolin begannen 2006. Nach Regierungsplänen soll die Gemeinde mehr als 9800 Wohneinheiten im Wohungsbau für sozial Bedürftige und durchschnittlich Verdienende bereitstellen. Bislang wurden 5100 Einheiten bezogen, mehr als 15.000 Einwohner haben neuen Wohnraum erhalten. Bei den Wohnungen für sozial Bedürftige und durchschnittlich Verdienende erhalten Familien mit minimalem Einkommen einen Mietzuschuss von 90 Prozent von der Stadtregierung von Xiamen, Familien mit einem Einkommen von weniger als 25.000 Yuan (3078,81 Euro) erhalten 80 Prozent und Familien mit einem Jahreseinkommen von 25.000 bis 50.000 Yuan (3078 - 6157 Euro) 70 Prozent.

Familien, die berechtigt sind, in der Gaolin-Gemeinde zu wohnen, zahlen im Schnitt nur 4200 Yuan (517,24 Euro) pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In einem nahegelegenen Gewerbegebiet kostet der Quadratmeter 20.000 Yuan (2463 Euro). Seit die ersten Bewohner in die Gaolin-Gemeinde gezogen sind, hat die Stadtregierung für weitere Annehmlichkeiten für die Bewohner gesorgt. Die Gemeinde hat nun einen Lebensmittelmarkt, einen Kindergarten, ein Krankenhaus, eine Bücherei, ein Jugendzentrum, ein Basketballfeld und einen Tischtennisraum. Kürzlich hat die örtliche Regierung 300.000 Yuan (36.945 Euro) in den Bau einer Buchausleih- und Rückgabemaschine investiert, die 24 Stunden in Betrieb ist.

 

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Ein neues Wahrzeichen: Das Wohnungsbauprojekt fürf sozial Bedürftige und durchschnittich Verdienende in Gaolin liegt mitten in Xiamen. (WEI YAO)

Glückliche Kindheit: Der Xiamen Xiude Kindergarten gehört ebenfalls zu Gaolin. (WEI YAO)

 
 
Es geht aber nicht nur um Wohnen und Komfort. Die Regierung versucht außerdem durch kulturelle Aktivitäten und Dienstleistungen ein Zugehörigkeitsgefühl zu fördern. 2009 wurde das Gaolin-Nachbarschaftskomitee gegründet, noch bevor der erste Bewohner überhaupt eingezogen war. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Beschwerden und Bitten der Bewohner an die zuständigen Regierungsstellen weiterzuleiten. Außerdem werden Berufsqualifikationskurse und Unterricht über Verkehrssicherheit angeboten. Das Komitee organisiert zudem Kulturveranstaltungen, um Kontakte innerhalb der Gemeinde zu fördern. "Die Einwohner stammen aus verschiedenen Bezirken von Xiamen. Es war ziemlich schwierig, Aktivitäten ins Leben zu rufen, die alle interessieren. Also haben wir damit begonnen, traditionelle Feste zu feiern. Gegenwärtig organisieren wir mindestens zwei Kulturveranstaltungen im Monat", erklärt Wu Limin, Leiterin des Nachbarschaftskomitees.

"Jeden Abend bieten wir beispielsweise eine Tanzveranstaltung auf dem Gemeindeplatz an. Im vergangenen Monat haben wir Sportangebote für Familien mit Kindern organisiert. Die Älteren lieben das Tanzen, so organisierten wir im Mai eine Trommel- und Tanzgruppe, bauten eine Bühne auf, so dass sie im August auftreten konnten", erzählt sie. „Einige der älteren Herrschaften brachen sogar in Tränen aus, als sie herausfanden, dass sie keine Auftrittsmöglichkeit bekommen würden", so Wu. 

Sofort nach ihrem Umzug bemerkte Chen - die Frau mit der Berechtigung für eine Wohnung für sozial Bedürftige und durchschnittlich Verdienende in Gaolin - eine Veränderung in ihrem Leben. „Ich tanze jeden Abend draußen auf dem Platz. Wir spielen mit Fitnessbällen und trommeln, um Spaß zu haben."