Am Vormittag des 14. März hat Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao im Rahmen der 5. Tagung des 11. Nationalen Volkskongresses (NVK) zu einer Pressekonferenz eingeladen. Dabei beantwortete Wen Jiabao die Fragen in- und ausländischer Journalisten.
Verlangsamtes Wirtschaftswachstum in China gut für Weltwirtschaft
Wen Jiabao sagt, dass ein auf 7,5 Prozent verlangsamtes Wirtschaftswachstum in China in diesem Jahr grundsätzlich gut für die Entwicklung der Weltwirtschaft sei.
Ein solches Wachstum erlaube es China, seine Wirtschaft ausgeglichener, koordinierter und nachhaltiger zu gestalten sowie den Weg für eine bessere Qualität chinesischer Erzeugnisse zu ebnen, so Wen. Nur so werde eine Regulierung der Wirtschaftsstruktur des Landes gelingen und die Qualifikation der Arbeitskräfte erhöht. Auf diese Weise werde eine übermäßige Abhängigkeit von Rohstoffen verhindert und die Umweltverschmutzung reduziert. Und nicht zuletzt profitiere auch die Bevölkerung davon.
In Anbetracht eines erwarteten Gesamtwirtschaftsvolumens in Höhe von 47 Billionen Yuan hält Wen ein Wirtschaftswachstum von 7,5 Prozent im Übrigen für ausreichend.
China macht sich für Freihandel stark
Wen betont, dass China gegen Handelsprotektionismus eintritt und einen freien Handel befürworte. In China sei die Ausgeglichenheit von Im- und Export grundsätzlich realisiert worden, sagt Wen weiter. Zudem müsse sich der Wechselkurs des Yuan einem ausgewogenen Niveau annähern. Seit Beginn der Reform des Währungssystems 2005 habe sich der effektive Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar bereits um 30 Prozent erhöht. Trotzdem werde weiterhin eine verstärkte Reform angestrebt, so Wen Jiabao weiter.
Ausgeglichener Handel zwischen China und den USA angestrebt
Wen Jiabao hat sich dafür ausgesprochen, durch Zusammenarbeit das Ungleichgewicht im Handel zwischen China und den USA zu beheben. Auf diese Weise sollten auch die Handelskontroversen zwischen beiden Staaten gelöst werden.
Wen erinnerte in diesem Zusammenhang an seine Vorschläge beim Treffen mit US-Präsident Barack Obama. Danach sollte China seine Importe aus den USA erweitern, während die USA ihre Exportbeschränkungen lockern. Auch sollten die gegenseitigen Investitionen ausgebaut werden. Darüber hinaus gelte es, die Zusammenarbeit in den Bereichen erneuerbare Energien, neue Werkstoffe, Energieeinsparung und Umweltschutz sowie Luft- und Raumfahrt zu intensivieren. Nicht zuletzt sollten beide Länder bei Infrastruktur und Finanzen verstärkt zusammenarbeiten, so Wen.
Regulierung des Immobilienmarktes wird nicht gelockert
In China bewegen sich die Immobilienpreise bei weitem nicht in einem vernünftigen Rahmen. Deshalb dürfe man die Regulierung nicht lockern, so Wen.
Eine planlose Entwicklung des Immobilienmarktes würde zur Blasenbildung führen. Sollte diese Blase platzen, würde dies die gesamte Wirtschaft beeinträchtigen, so Wen Jiabao weiter. Die Wohnungspreise müssten dem Einkommen der Bevölkerung entsprechen.
Er verwies darauf, dass man bei der Reform des Immobilienmarktes auf große Schwierigkeiten stoße, weil in dieser Branche die Interessen von vielen Seiten aufeinander träfen. Die Lokalregierungen könnten durch die Veräußerung von Nutzungsrechten für Grundstücke hohe Einnahmen erzielen, während Finanzinstitute und Immobilienentwickler ebenfalls Gewinne vorweisen könnten, so der Ministerpräsident.
"China ergreift für niemanden in Syrien Partei"
China handelt in der Syrien-Frage niemals aus Eigeninteresse und wird auch in Zukunft für niemanden Partei ergreifen. Dies bekräftigt Ministerpräsident Wen Jiabao.
Wen erläutert die chinesische Position in dieser Frage. Leben und Sicherheit der Zivilbevölkerung Syriens müssten geschützt werden. China respektiere die Forderungen der syrischen Bevölkerung nach Reformen und Schutz ihrer Interessen. Man unterstütze außerdem die politischen Vermittlungen der Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga in dem Krisenland. Überdies werde sich China weiterhin an der humanitären Hilfe für Syrien beteiligen, so Wen Jiabao.
Dazu äußerte er die Hoffnung, dass China mit seinen Standpunkten von den arabischen Staaten verstanden werde und ihr Vertrauen gewinnen könne.
Wen Jiabao nimmt Stellung zu Taiwan und Hongkong
Auf der Pressekonferenz hat sich der Ministerpräsident auch zu Taiwan und Hongkong geäußert.
Zur Taiwan-Frage rief Wen Jiabao dazu auf, die Verhandlungen über die Rahmenvereinbarung für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten der Taiwan-Straße fortzusetzen. Dabei müssten besonders die Interessen der mittelständischen und kleinen Unternehmen sowie der Bevölkerung auf der Insel berücksichtigt werden. Auch drückte er seine Hoffnung aus, den Kulturaustausch und die persönlichen Kontakte zwischen beiden Seiten auszubauen. Ferner zeigte er sich davon überzeugt, dass die Wiedervereinigung des Landes und der Wiederaufstieg der chinesischen Nation verwirklicht werden könnten.
Hongkong betreffend sieht Wen Jiabao sowohl Schwierigkeiten als auch Chancen. So habe Hongkong zwei Finanzkrisen bewältigen und seine Position als internationales Finanz- und Wirtschaftszentrum behaupten können. 2011 habe das Bruttoinlandsprodukt in Hongkong pro Kopf 34 200 US-Dollar betragen und damit eine neue Rekordhöhe erreicht. Infolge der globalen Finanzkrise und der europäischen Schuldenkrise droht die chinesischen Sonderverwaltungszone jedoch gegenwärtig in den Sog von Rezession und Inflation zu geraten. Es gelte daher im Bereich sozialer Gerechtigkeit, steigender Warenpreise, des Wohnungsangebot, Bildung und medizinischer Versorgung anstehende Probleme zu lösen.
Zudem brachte Wen seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Wahl des vierten Chefadministrators von Hongkong offen, fair, gerecht und in Übereinstimmung mit den Gesetzen verlaufen werde. Es solle ein Chefadministrator gewählt werden, der die Unterstützung der meisten Hongkonger findet, so Wen Jiabao.
Selbstverbrennungen tibetischer Mönche bedauert
Wen hat auf der Pressekonferenz sein tiefes Bedauern über die Selbstverbrennungen tibetischer Mönche geäußert.
Er sagt, dass niemand durch extremistisches Handeln die Harmonie in der Gesellschaft zerstören soll. Ferner kritisierte er die sogenannte „tibetische Exilregierung" im indischen Dharamsala und warf ihr vor, Tibet von China abtrennen zu wollen.
Gleichzeitig versicherte Wen Jiaobao, die Glaubensfreiheit der Tibeter zu respektieren. Sie stehe unter dem Schutz des Gesetzes, so Wen weiter.
Wen Jiabao drängt auf politische Umstrukturierung
Wen Jiabao drängt auf politische Umstrukturierung. Er meint, ohne eine erfolgreiche Reform des politischen Systems könne auch die Reform des Wirtschaftssystems nicht angemessen umgesetzt werden. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Tragödie der Kulturrevolution und warnte vor einer möglichen Wiederholung.
Zudem verwies er auf aktuelle Probleme wie gewisse Ungerechtigkeiten, fehlende Glaubwürdigkeit und Korruption. Um diese Fragen zu lösen, sei eine politische Umstrukturierung erforderlich. Dies gelte besonders für das Führungssystem der Partei und des Staates. Es gelte, den Gegebenheiten des Landes entsprechend schrittweise ein politisches System der sozialistischen Demokratie aufzubauen, so Wen Jiabao weiter.
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