28-12-2011
Tagungsthemen
Privatkredite finden Zustimmung
von Liu Yunyun

Die Zentralregierung stellt Krediten unter Privatleuten, einst als Teil der Schattenwirtschaft misstrauisch beäugt, inoffiziell eine Unbedenklich-keitsbescheinigung aus

Not macht erfinderisch: Arbeiter einer kleinen Fabrik in Wenzhou betreiben die Maschinen mit Notstromaggregaten nachdem das Elektrizitätswerk den Strom abgedreht hat.

Bei der Frage nach Kreditgewährung durch Privatleute, eine der hauptsächlichen Geldquellen für kleine und mittlere Betriebe in China, hat sich die chinesische Regierung bislang nicht anders verhalten als Herakles im Kampf mit der vielköpfigen Hydra: Mit dem Schwert in der Hand die Köpfe des Monsters abschlagen, nur um zu beobachten, dass aus jedem abgeschlagenen Kopf zwei neue entstehen. Aber anders als der griechische Held scheint sich die chinesische Regierung nun geschlagen zu geben und ändert ihre Strategie im Umgang mit einem Phänomen, das sie bislang ausschließlich als Teil der Schattenwirtschaft wahrgenommen hatte. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Xinhua gilt die kürzliche Äußerung des Chefs der Zentralbank  als Anerkennung privater Kredite durch die Regierung.

"Privatkredite sind eine notwendige und segensreiche Ergänzung von Bankkrediten und anderen anerkannten Wegen der Finanzierung", so Zhou Xiaochuan auf einem vom Wirtschaftsmagazin „Caijing" veranstalteten Forum.

Die alternative und bislang illegale Form der Kreditgewährung ist hilfreich bei der Deckung des Finanzbedarfs vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen und von Betrieben im landwirtschaftlichen Bereich, so der Zentralbankchef. Private Kredite  fördern zudem das Aufkommen eines vielschichtigen Geldmarktes.

Angesichts des breitflächigen Aufkommens  kleiner Geldvermittlungsagenturen sollte die Regierung diese Form der Kreditvergabe anerkennen und so unter den Schirm staatlicher Aufsicht bringen. Gleichzeitig sollten illegale Kapitalakkumulation, Zinswucher und Geldwäsche schärfer bekämpft werden.

Die Zinsrate sollte das vierfache des üblichen Zinsaufschlags der Banken nicht übersteigen, hieß es unter Hinweis auf eine Regel, die vom Obersten Volksgericht aufgestellt wurde. Eine Zinsforderung, die über diesem Limit liegt, wird als unbillig und nicht durch Recht und Gesetz abgedeckt zurückgewiesen. Streitigkeiten über die Höhe von Zinsbelastungen sollten vor Gericht gebracht werden, wo künftig über die Rechtmäßigkeit der Kreditverträge entschieden werden soll.

"Die zuständigen Behörden sind mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Kontrollmechanismus in Sachen Privatkredite befasst, um möglichst umfassende  Informationen für die Wirtschaftsplanung und die makroökonomische Aufsicht zusammentragen", so Zhou Xiaochuan.

Die Äußerungen müssen vor dem Hintergrund einer Pleitewelle in Wenzhou, eine der Hochburgen kleiner und mittelständiger Firmen der Fertigungsindustrie in China, gesehen werden. Eine ganze Reihe von Unternehmern haben unter Hinantlassung erheblicher Schulden das Weite gesucht und sind für ihre Gläubiger und die Gerichte nicht länger greifbar.

Die Zentralbank hat dieses Jahr den Leitzins dreimal angehoben und die Richtzinssätze der Einlagen sogar sechsmal erhöht, was es für Kleinunternehmen zunehmend schwieriger machte, an Kredite zu kommen. 

Daraufhin wandten sich viele kleine Unternehmen in Wenzhou an den schwarzen Kreditmarkt, der oft von Beamten und Parteifunktionären bedient wird, die auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten für ihr illegal erworbenes Vermögen sind. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage und der damit einhergehenden Absatzprobleme gerieten viele Unternehmer in Schwierigkeiten, die Wucherzinsen ihrer Kredite zu bedienen. Nach einem Bericht des Wirtschaftsmagazins  „21st Century Business Herald" vom Oktober dieses Jahres hätten sich 228 Firmeninhaber abgesetzt und neun Selbstmord begangen. Die Zahl der flüchtigen Schuldner steigt weiter an. 

Analysten deuten die Äußerungen des Zentralbankchefs als Versuch, Wucherzinsen entgegenzutreten und Privatkredite vom Geruch der Illegalität zu befreien, so dass sowohl den Interessen von Kreditgebern als auch von Kreditnehmern entgegengekommen werden kann.

 

Umfang des privaten Kreditmarkts

Die China International Capital Corp. hat im Oktober eine Bestandsaufnahme über den privaten Kreditmarkt veröffentlicht, wonach im Jahr 2011 der Gesamtumfang  ausgehändigter Kredite 3,8 Billionen Yuan (460 Milliarden EUR) betragen soll. Eine Steigerung um satte 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr! Diese Ziffer entspricht sieben Prozent des Kreditvolumens aller chinesischer Banken. 

Der private Kreditmarkt zieht sehr verschiedenartige Anleger an: Pfandhäuser, kleine Geldverleiher, Investment- und Leasingunternehmen, Staatsbetriebe auf der Suche nach hohen Renditen, Privatunternehmen und Privatleute mit Geld in der Tasche.

Die Zinsen auf dem schwarzen Kreditmarkt betragen häufig bis zu 70 Prozent der Kreditsumme. Wegen der angespannten Wirtschaftslage gelingt es immer weniger Schuldnern, diesen exorbitanten Forderungen nachzukommen.

Zhou Dewen, Präsident der Wenzhouer Vereinigung der kleinen und mittelständigen Unternehmen, sagt, dass die Interessen von Gläubigern und Schuldnern nur dann zu wahren sind, wenn deren Geldmarktaktivitäten legalisiert und unter staatliche Aufsicht gestellt werden.

Mittellos und von den Großbanken links liegen gelassen, werden die kleinen und mittleren Unternehmen oft in die Arme von Kredithaien getrieben, die sich ihre Dienste teuer bezahlen lassen.

"Ich habe mir 700 000 Yuan (85 000 EUR) von anderen Geschäftsleuten zu einer monatlichen Zinsrate von 5,8 Prozent geborgt. Das Geld hat gerade dazu ausgereicht, um die Produktion in Gang zu bringen", erzählt Liu Hao, Inhaber einer kleinen Möbelfabrik in Guangzhou.

Liu sagt, dass es dieses Jahr besonders schwierig gewesen sei, Bankkredite zu erhalten. Deshalb habe er auf einen Privatkredit zurückgegriffen, den er allerdings mit 60 Prozent im Jahr verzinsen muss. Ein Bankkredit wäre mit lediglich 6,65 Prozent zu Buche geschlagen. 

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