31-01-2011
Tagungsthemen
Chinas Devisenreserven auf neuem Rekordhoch – Suche nach sicherer Anlage
Von Liu Yunyun

China

ist dabei, seine Fixierung auf US-Staatsanleihen zu überwinden und fasst stattdessen neue Anlagemöglichkeiten ins Auge. Schatzbriefe anderer Länder und Eigentumserwerb im Ausland stehen dabei im Vordergrund. 

Die chinesische Zentralbank hat am 11. Januar in ihrem Jahresbericht 2010 die Höhe der staatlichen Devisenreserven auf 2,8473 Billionen US-Dollar beziffert. Damit liegen sie um 18,7 Prozent höher als im Jahr 2009. Im letzten Jahr sind 448,1 Milliarden US-Dollar mehr in den Währungskorb gewandert als im Vorjahr. 

Der Zufluss von Kapital durch Direktinvestitionen und Exporterlöse hält also an. Seit der Reform der Staatlichen Devisenreserven Verwaltung im Jahr 1994 war das Aufhäufen von Dollarbeständen eines der Hauptziele der Währungspolitik.  

Bislang sind nahezu 70 Prozent der Devisenreserven in US-Dollar angelegt. Der Kursverlust des Dollar im Zuge der weltweiten Finanzkrise hat zu einem enormen Wertverfall der chinesischen Devisenreserven geführt. Daher ist die Frage, ob eine Anlage in US-Dollar weiterhin als segensreich betrachtet werden kann, ein unter Chinas Volkswirten heiß diskutiertes Thema.  

Angesichts der Herausforderungen durch wachsenden Inflationsdruck, übermäßige Liquidität, Dollarschwäche und drohender Yuan-Aufwertung überdenkt China seine Währungsstrategie und verabschiedet sich von der altbewährten Bevorzugung des Dollars.

 

Nicht alles in einen Topf 

Nach Angaben der südkoreanischen Finanzaufsicht vom Januar diesen Jahres hat China 2010 südkoreanische Staatsanleihen im Wert von umgerechnet 4,2 Milliarden US-Dollar gezeichnet. Nach Meinung von Analysten hat die koreanische Wirtschaft trotz der Finanzkrise Fahrt aufgenommen, allgemein rechnet man mit einem Anstieg des Won, der südkoreanischen Landeswährung. Auf einem Index der HSBC Holdings hat man nachlesen können, dass die südkoreanischen Staatsanleihen im Jahr 2010 mit 8,5 Prozent zu Buche geschlagen haben, abgesehen vom Oktober mit steigender Tendenz in jedem Monat des Jahres. 

Aber nicht nur der Won zieht die Aufmerksamkeit von Chinas staatlichen Vermögensverwaltern auf sich, auch in japanische Staatsanleihen wurde mächtig investiert. Von Januar bis Juli wurden umgerechnet 28 Milliarden US-Dollar in japanischen Schuldverschreibungen angelegt, im August und September dann jedoch Papiere im Wert von 34 Milliarden US-Dollar abgestoßen. Im Oktober allerdings wurden erneut bevorzugt kurzfristige Titel im Wert von 3,17 Milliarden US-Dollar gezeichnet.  

Vor seinem Spanienbesuch im Januar sagte Chinas stellvertretender Ministerpräsident Li Keqiang in einem Beitrag in der spanischen Tageszeitung El País, dass China ein verlässlicher Langzeitinvestor sei, und zwar sowohl auf dem europäischen wie auch auf dem spanischen Kapitalmarkt: „China hat Vertrauen in den spanischen Kapitalmarkt. Wir haben spanische Staatsanleihen erworben und werden dies auch weiterhin tun."  

Der Vizedirektor der chinesischen Notenbank, Yi Gang, hat während seines Spanienbesuchs davon gesprochen, dass der Euro und der europäische Kapitalmarkt für Chinas Devisenverwalter einer der bevorzugten Häfen ist und bleiben wird. Analysten werten Chinas Engagement in europäischen Staatsanleihen als ein Anzeichen für Umschichtungen in der Zusammensetzung des Währungskorbes.     

Chen Gong, Vorstandschef der Anbound Group, einem Beijinger Wirtschaftsforschungsinstituts, sprach gegenüber der chinesischen Zeitschrift International Herald Leader von einer Win-Win-Situation für beide Seiten. Die schuldenüberfrachteten Europäer bräuchten Hilfe von Außen, während China nach neuen Anlagemöglichkeiten für seine umfangreichen Devisenreserven sucht. "Dies könnte dazu beitragen, dass Bedenken europäischer Staaten schwinden, China den Status einer Marktwirtschaft zuzubilligen, die protektionistischen Maßnahmen gegen chinesische Produkte abgebaut werden und chinesische Unternehmen mehr in Europa investieren", meint Chen. 

Die Rendite bei Staatsanleihen europäischer Länder, die hart von der Schuldenkrise betroffen sind, steigen rasch und liegen erheblich über den Renditen von US-Bonds.  

Liu Yuhui, Forscher am Institut für Finanz- und Bankwesen bei der Akademie für Sozialwissenschaften, sieht in der chinesischen Schützenhilfe für die Eurozone den Versuch, günstige Euroanlagen abzufischen und damit für eine solide Grundlage für künftige Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen China und Europa zu sorgen.

 

Neue Anlageobjekte im Visier 

Zu den 2,85 Billionen US-Dollar, die von der Staatlichen Vermögensverwaltung gemanagt werden, tritt ein relativ überschaubarer Betrag, der von der China Investment Corp. (CIC) verwaltet wird. Der Staatsfonds begann im Jahr 2007 mit einem Startkapital von 200 Milliarden US-Dollar. Die Strategie der CIC unterscheidet sich grundlegend von der der Staatlichen Devisenreserven Verwaltung: Sie investiert in hochrentierlichen Anlagen im Hochrisikobereich.  

Gegenwärtig jongliert die CIC mit 300 Milliarden US-Dollar. Sie hält seit 2009 einen Anteil von 17 Prozent am kanadischen Energiekonzern Teck Cominco Ltd., der nach Angaben von Teck Comincos Vorstandschef Donald R. Lindsay der CIC 2,5 Milliarden US-Dollar an Zinsen eingetragen habe. Im letzten November erwarb CIC ein 7,6 Prozent Aktienpaket der General Growth Properties Inc., dem zweitgrößten Betreiber von Shopping Malls in den USA. Erst vor kurzem hat die CIC gemeinsam mit der New Yorker AREA Real Estate Finance Corp. mit einem Paket von Vorzugsaktien Anteile am 27-stöckigen 650 Madison Avenue Hochhaus erworben, dem Hauptsitz des Textilgiganten Polo Ralph Lauren. Der US-Immobilienmarkt hat seinen Gipfelpunkt aus dem Jahr 2006 längst überschritten und befindet sich derzeit auf Talfahrt. Analysten raten der CIC zu einem stärkeren Engagement in amerikanischen Immobilien.

 

Privatanleger 

Den jüngsten Richtungswechsel in der chinesischen Währungspolitik markiert die von der Regierung der Stadt Wenzhou in der Provinz Zhejiang erteilte Erlaubnis für Privatleute, direkt in Auslandsmärkten zu investieren. Wenzhou, ein Zentrum der Lederindustrie, gilt lange schon als Hochburg der chinesischen Privatwirtschaft.  

Zu Jahresbeginn hat die Außenhandelsabteilung der Wenzhouer Regierung ein entsprechendes Pilotprogramm angekündigt, in dessen Rahmen seine Bürger Direktinvestitionen in Übersee (einschließlich Hongkongs) beantragen können, solange die Gelder in die Realwirtschaft fließen. Einzelinvestitionen sind auf jeweils drei Millionen US-Dollar begrenzt, pro Person dürfen bis zu 200 Millionen US-Dollar jährlich im Ausland angelegt werden.    

"Ich gehe davon aus, dass die meisten Investoren kleine lokale Unternehmen finanzieren werden. Mit 200 Millionen US-Dollar kann man Fabriken, Restaurants und Ledermanufakturen in jedem Land der Welt errichten", sagt Ling Lanfang, Vorstandschefin der Silk Road Holding Group Co. Ltd. aus Zhejiang gegenüber der Economic Information Daily.

 

Der Umfang des in Wenzhou angehäuften Privatvermögens wird auf mehr als 600 Millarden Yuan (66,9 Milliarden EUR) geschätzt.   

Nach Lings Auffassung will die Regierung private Anleger dazu ermuntern, auf dem internationalen Markt zu investieren, um so einen Überhang an Yuan abzubauen und die Nachfrage nach Kapital zu dämpfen. Durch das Programm signalisiert die Politik eine schrittweise Öffnung des Kapitalmarktes unter Ausgleich internationaler Geldströme.   

Im Zeichen der internationalen Finanzkrise wurde 2008 von der Zentralregierung die Strategie des "Going Out" proklamiert, wonach viele große Staatsunternehmen gehalten waren, im Ausland auf Einkaufstour zu gehen, um mit ausländischen Firmen zu fusionieren oder Tochtergesellschaften zu gründen. Kleine und mittlere Unternehmen haben in dieser Hinsicht jedoch noch erheblichen Nachholbedarf. Ling ist davon überzeugt, dass das Programm mehr Unternehmer aus Wenzhou dazu inspirieren wird, in Übersee zu investieren.