13-01-2011
Tagungsthemen
Einkaufsparadies---Hainan lockt Touristen mit Zollfreiheit
Von Hu Yue

Im Duty Free Shop in Sanya kann man Kleidung, Kosmetika, Uhren usw. bis zu 40 Prozent günstiger kaufen als in Einkaufszentren. 

Für Touristen auf der Suche nach einer frischen Brise bietet Chinas Tropeninsel Hainan mit ihrem ganzjährigen Sonnenschein und palmengesäumten Stränden paradiesische Zustände. Jetzt gibt es einen Grund mehr, die Insel aufzusuchen: zollfreie Einkaufsmöglichkeiten.

 

Seit dem 1. Januar 2011 gilt in ausgewählten Geschäften für Touristen aus dem Ausland, Hongkong, Macau und Taiwan eine Mehrwertsteuererstattung von 11 Prozent des Warenpreises. In den Genuss des Rabattes kommt, wer an einem Tag  in einem Kaufhaus auf Hainan Waren im Gesamtwert von über 800 Yuan (93 EUR) erwirbt. Insgesamt 324 Artikel aus 21 Warenkategorien wie Kleidung, Kosmetika. Uhren, Schmuck, elektronische Geräte, Schreibwaren, Sportartikel und Möbel sind in die Regelung einbezogen. Zu den bislang ausgewiesenen drei ersten Verkaufsstellen, die am Pilotprojekt teilnehmen, zählt auch der Hainan Shengsheng Department Store in Haikou, der Hauptstadt der Insel.  

„Wir werden weitere vertrauenswürdige und gut geführte Einkaufszentren in das Programm aufnehmen", sagt Lu Yong, Vizeleiter der Finanzverwaltung der Inselprovinz Hainan. Shi Fangxiao, stellvertretender Direktor der Zollverwaltung Sanya hält das Programm für gut vorbereitet: „Wir wollen garantieren, dass Reisende einen besseren Service erhalten und den ganzen Rückerstattungsvorgang in zwei Minuten durchlaufen können." 

Neue Einnahmen  

Das Programm ist Teil des ehrgeizigen Versuchs, Hainan, das lange Zeit von der Landwirtschaft geprägt war, in eine internationale Tourismusdestination zu verwandeln. Durch die Zollvergünstigung sollen Besucher aus dem Ausland angelockt werden, wovon man sich eine Verbesserung der  Einkommenssituation in den ausgedehnten und unterentwickelten ländlichen Regionen der Insel verspricht. Bis zum Jahr 2015 soll die Tourismusindustrie zu acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Insel beitragen, bis 2030 sollen es dann mehr als 12 Prozent sein.  

In den letzten Jahren landeten Scharen von Touristen an den Sandstränden der Insel und brachten neuen Schwung in die darbende Wirtschaft. In den ersten elf Monaten des Jahres 2010 hat die Tourismusbranche auf Hainan einen Umsatz von fast 23 Milliarden Yuan (2,7 Milliarden EUR) erwirtschaftet, 20,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Aber trotz attraktiver Hotelanlagen und zauberhafter Landschaft muss das Eiland erst noch den internationalen Markt erobern. Von den 23 Millionen Übernachtungen, die von Januar bis November 2010 verbucht werden konnten, stammten nur 2,6 Prozent von ausländischen Gästen.

„Der Steuernachlass soll zur Attraktivität der Insel beisteuern", sagt Wang Keqiang, Vizedirektor der Handelsabteilung der Provinzverwaltung. Viele der heimischen Industriezweige wie die Textilherstellung, die Produktion von Perlweiß und die Herstellung von Golfausrüstungen werden davon profitieren. 

Einkäufe ausländischer Touristen machen gerade einmal zwanzig Prozent des Gesamtumsatzes in Hainan aus. Von der Zollfreiheit verspricht man sich eine Verdoppelung auf vierzig Prozent. Dies entspräche dem Durchschnittswert in Industriestaaten, so Wang Keqiang.

„Der steuerliche Anreiz soll die Branchen fördern, die eng mit dem Tourismussektor verbunden sind, wie etwa das Transportwesen, Dienstleistungen und die Fertigungsindustrie", meint Zhao Ping, Forscher an der Akademie für Internationalen Handel  und wirtschaftliche Kooperation beim Handelsministerium. „Die Höhe des Rabatts lässt noch Raum zur Anhebung", sagt er. In Frankreich liegt sie bei 16,38 Prozent, in Deutschland bei 15,97 Prozent.  

Sun Lichan, Marketingmanager bei Byecity.com, einem Urlaubsanbieter, hält es für unverzichtbar, dass mehr Waren „Made in China" angeboten werden, denn diese seien preiswerter als die importierten Luxusgüter, und für die Käufer attraktiver. 

Die Praxis der Mehrwertsteuererstattung, die von Schweden in den 1980er eingeführt worden ist, hat sich mittlerweile in mehr als 50 Ländern und Regionen der Welt etabliert, darunter die EU, Australien und Japan. Als starker Anreiz für die Tourismusindustrie hat es in Asien vielfach den Weg zum Wirtschaftswunder geebnet. 

Hongkong ist zweifelsohne das duty-free Paradies schlechthin. Bevor Hainan dem Sonderverwaltungsgebiet in dieser Hinsicht Konkurrenz bieten kann, ist es noch ein weiter Weg.

Ganz gleich, ob es sich um die großen Markennamen handelt, Sportschuhe oder Kameras, Hongkong habe stets das Neueste zum günstigsten Preis zu bieten, sagte Michael Wu, Vorstand des Hongkonger Travel Industry Council, in einer Sendung des Lokalradios: „Für Chinesen vom Binnenland gibt es dank des Währungsunterschieds praktisch einen Preisnachlass von 25 Prozent auf alle Waren. Wir sehen nicht, dass die Gewährung der Steuerrückerstattung in Hainan irgendeinen Einfluss auf Hongkong haben wird." 

Inländer nicht begünstigt 

Während die Politik der Steuererstattung Hainan einen gewissen Glanz verleiht, führte die Regelung aber auch zu langen Gesichtern, besonders bei Chinesen aus dem Binnenland.

„Ich war schon ein bisschen enttäuscht als ich hörte, dass die Regelung nur für Touristen aus dem Ausland gelten soll", sagte Zhang Yali aus der Inneren Mongolei der Nachrichtenagentur Xinhua. „Ich hoffe, dass das Programm so bald wie möglich auch auf alle Touristen ausgedehnt wird." 

„Wenn der Rahmen der Nutznießer nicht erweitert wird, sehe ich für die heimische Wirtschaft keinen nachhaltigen Effekt, denn die Touristen kommen mehrheitlich vom chinesischen Binnenland", sagt Chen Qingqing, Analyst bei China Securities Co. Ltd. 

Am 1. September 2009 wurde in Sanya, dem Wirtschaftszentrum im Süden der Insel, der erste duty-free shop außerhalb des Flughafengeländes eröffnet. Im Warenangebot sind hochwertige Kosmetika und Schmuck. Das Geschäft steckt aber noch immer in den roten Zahlen, was darauf zurückgeführt wird, dass nur ausländische Touristen als Kundschaft in Frage kommen.

„Für duty-free shopping im großen Maßstab ist die Insel einfach noch nicht reif", sagt Lu Yong von der Finanzverwaltung der Provinz. 

In China neigen Entscheidungsträger zu einer schrittweisen Implementierung neuer Regelungen, außerdem brauche die Geschäftswelt von Hainan und die Zollverwaltung ausreichend Zeit, um sich mit der Steuererstattung vertraut zu machen, meint Xia Feng, Direktor einer Forschungseinrichtung unter dem Institut für Entwicklung und Reform in Haikou (CIRD). 

„Wenn wir von den Erfahrungen lernen, die auf der südkoreanischen Jeju-Inseln und im japanischen Okinawa gesammelt wurden, können wir auch unter gewissen Bedingungen Steuerermäßigungen für Inlandstouristen gewähren", sagt Chi Fulin vom CIRD. Als Beispiel führt er an, dass Besuchern vom chinesischen Festland bei drei Reisen auf die Insel pro Jahrbei einem jeweiligen Einkauf im Wert von bis zu 5 000 Yuan (580 EUR) Steuererstattungen gewährt werden können. 

Die Orient Securities Co. Ltd. hat unlängst vorgerechnet, dass bei einer Ausweitung der Erstattungspolitik auf alle Chinesen jährlich bis zu 20 Milliarden Yuan umgesetzt werden könnten. Diese Aussicht sei vor allem deshalb verheißungsvoll, weil der Tourismus über großes Wachstumspotenzial verfüge. 55 Prozent der Kunden des Shilia Duty Free Shops auf der südkoreanischen Insel Jeju stammen aus China. Durchschnittlich geben sie 200 US-Dollar pro Kopf aus, gegenüber 150 US-Dollar, die jeder japanische Tourist für seinen Einkauf aufwendet.  

Gemeinsame Anstrengungen  

Auf dem Weg zur internationalen Tourismusdestination ist zollfreies Einkaufen sicher nicht das Allheilmittel. Es gibt noch viel zu tun, ehe auf Hainan das ehrgeizige Ziel der Internationalität erreicht ist. 

„Es ist unrealistisch, alle Hoffnungen auf zollfreien Warenverkauf zu setzen", sagt Wang Yan, Dekan der Fakultät für Tourismusmanagement an der Beijinger Jiaotong Universität: „Zum Beispiel müssten erst einmal die Engpässe im Transportwesen behoben werden." Tourismusdienstleistungen müssten auf der Insel überhaupt verbessert werden, auch gelte es, gegen ein Negativimage anzugehen, sagt Wang und weist auf Beschwerden von Besuchern hin, die sich über Touristennepp beklagen, oder auf die Druck zum Kauf von überteuerten und  minderwertigen Souvenirs ausgeübt wurde.  

Eine andere Sorge besteht darin, dass der Bauboom die Mieten und Preise für Hotelzimmer in die Höhe schnellen lässt, was auf die Touristen wie eine kalte Dusche wirken dürfte. Schlimmer noch: Kritiker erblicken die Gefahr eines Zubetonierens der Landschaft. Cai Rentan, der stellvertretende Generalsekretär des Hainaner Maklerverbrandes spricht sich für eine Kontrolle des Immobiliensektors aus, um das Ökosystem der Insel vor Schaden zu bewahren. In den nächsten zehn Jahren sollte sich die Immobilienbranche auf tourismusrelevante Bereiche wie Hotels und Ferienresorts konzentrieren, meint er.