07-01-2011
Tagungsthemen
Erfolgloser Kampf gegen das Rauchen in China
Von Li Qiumeng

Als Vertragspartner der Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation zur Tabakkontrolle hat China versprochen, dass ab dem 9. Januar 2011 das Rauchen in öffentlichen Innenräumen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln unterbunden sein soll. Allerdings ist seit fünf Jahren die Zahl der Raucher in China nicht gesunken und die Zahl der Passivraucher erheblich angestiegen: offiziell wird ihre Zahl mit 200 Millionen angegeben. 

 

Rauchen: Ursache für Lungenkrebs

Als starker Raucher, der seit rund fünfzig Jahren zur Zigarette greift, kommt Lao Long keinen Tag ohne Glimmstengel aus.  Lao Long wurde immer von seinen Kollegen gelobt, dass er schon über sechzig sei, aber immer noch einen sehr fitten Eindruck machte. Als jedoch kürzlich bei einer ärztlichen Untersuchung „Lungenkrebs" diagnostiziert wurde, war Lao Long schockiert und ratlos.

Im Krankenhaus ist er nicht allein mit seinem Schicksal: Mehr als vierzig seiner Mitpatienten leiden ebenfalls an Lungenkrebs. Neunzig Prozent von ihnen sind Raucher. Der Jüngste ist erst 30.  

 

Tabakindustrie stiftet mehr Schaden als Nutzen

Yang Gonghuan, stellvertretender Leiter des Staatlichen Zentrums für Gesundheit und Krankheitsvorbeugung, meint, dass es sehr schwer für die Regierung sei, die Tabakindustrie wirksam zu kontrollieren, da sie erheblich zum Steueraufkommen des Landes beitrage. Allerdings wiegen mittlerweile die Folgekosten der Nikotinsucht schwerer als die Steuereinnahmen. Mehr als 60 Experten des staatlichen Gesundheitswesens, Volkswirte und Juristen haben in den vergangenen eineinhalb Jahren erstmals bei der Erstellung eines Berichts zusammengearbeitet, der die Entwicklung der Tabakindustrie und die Umsetzung des Rauchverbots zum Thema hat. Die Studie unter dem Titel „Einschränkung des Tabakkonsums und Chinas Zukunft" kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl chronischer Erkrankungen infolge von Tabakgenuss kontinuierlich und stark angestiegen sei. Unverblümt wird die Tabakindustrie als die Branche bezeichnet, die die Gesundheit der Bevölkerung am meisten gefährdet.

Der Bericht der Expertengruppe hält fest, dass in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Tabakindustrie im Jahre 1998 noch immerhin 150 Millionen Yuan zum Sozialaufkommen beigetragen hatte, während ihr Beitrag mittlerweile längst in den Minusbereich gedreht ist und mit sechs Milliarden Yuan veranschlagt wird. „Die Sozialkosten, die von der Tabakindustrie verursacht werden, zum Beispiel die Kosten für die medizinische Versorgung von Rauchern und die Verluste durch Fehlzeiten am Arbeitsplatz, liegen heute also deutlich über den Einkünften, die der Staat durch Tabaksteuern verbuchen kann. Ich gehe davon aus, dass sich in den kommenden zwanzig Jahren diese Minus-Sozialleistung weiter erhöhen wird", sagt Yang.

Der Bericht spricht die Empfehlung aus, die Tabakindustrie umzustrukturieren und die Einschränkung des Tabakkonsums als Zielvorgabe in den 12. Fünfjahresplan aufzunehmen.

 

Ursache des Misserfolgs: Doppelrolle des Ministeriums

Im Jahr 2007 wurde eine Arbeitsgruppe aus acht chinesischen Ministerien gebildet. Sie sollte die Durchsetzung der Rahmenkonvention zur Kontrolle des Tabakkonsums garantieren. Federführend war dabei das Ministerium für Industrie und Informatik.

„Als leitende Behörde bei der Durchsetzung der Rahmenkonvention ist das Ministerium für Industrie und Informatik allerdings in einen Interessenskonflikt geraten. Denn das Staatliche Büro für das Tabakmonopol untersteht nach wie vor dem Ministerium für Industrie und Informatik. Das Ministerium vertritt also auch die Interessen der Tabakindustrie. Es muss zwei konträre Rollen zugleich spielen, das kann nicht gut gehen! Innerhalb der Ministerialbürokratie wird eine Blockadepolitik betrieben", sagt Yang.

 

Kein Gesetz verbietet das Rauchen im öffentlichen Raum

Noch gibt es in China kein Anti-Raucher-Gesetz für den öffentlichen Raum. Außerdem gibt es noch kein großflächiges Werbeverbot für Zigaretten. Nach Angaben des Chinesischen Verbandes für Tabakkontrolle haben von September bis Dezember 2009 insgesamt 52 Tabakunternehmen 79 gemeinnützige Kultur- und Sportveranstaltungen in 40 chinesischen Städten und Kreisen gesponsert. Erst im November hat das Staatliche Büro für das Tabakmonopol eine neue Stiftung ins Leben gerufen, die unter dem Namen „Goldenes Blatt" unter die Ägide der „Stiftung für Frauenförderung in China" gestellt wurde.

 

Hübsche Packung macht Rauchen attraktiv

Auch attraktiv gestaltete Zigarettenschachteln tragen dazu bei, dass ein umfassendes Rauchverbot im öffentlichen Raum nicht fristgerecht umgesetzt werden kann. Fotografien, die vor den Folgen des Tabakgenusses warnten, wären eine effektive Maßnahme zur Eindämmung des Zigarettenkonsums.

Allerdings sind in den Tabakläden noch viele Zigarettenmarken vertreten, die mit hübschen Bildern des Tian'anmen-Platzes, putzigen Pandabären und goldenen chinesischen Drachen aufwarten. Zhi Xiuyi, Vorstandsmitglied de Chinesischen Verbandes für Tabakkontrolle, meint, dass viele Luxus-Zigaretten hauptsächlich als Geschenk dienen. Wenn die Bilder auf der Packung über die Folgen des Nikotinmissbrauchs wie geschädigte Lungen und amputationsreife Raucherbeine aufklärten, würde diese Marken des Hochpreissegments als Geschenkartikel nicht länger in Frage kommen. 

 

Niedriger Preis als Anreiz für hohen Tabakkonsum

Der niedrige Preis der Zigaretten ist für chinesische Raucher zweifellos verführerisch. Und niedrig ist der Preis dank des geringen Steueranteils am Verkaufspreis.

Vergleicht man den Preis von Zigaretten der Marke Marlboro in 15 Ländern miteinander, so stellt man erhebliche Unterschiede fest: In China kostet eine Packung Marlboro 2,04 US-Dollar, in Südafrika 2,69 US-Dollar, in Singapur 9,39 US-Dollar und in Norwegen 11,48 US-Dollar.  

Yang Gonghuan weist darauf hin, dass sich nur durch eine Erhöhung der Tabaksteuer die Zigaretten verteuern lassen. Der Tabakindustrie wird man nur über das Drehen an der Preisschraube beikommen können, da ist sich Yang sicher.

 

Ohne Anti-Raucher-Gesetz leidet Chinas Konkurrenzfähigkeit

Dr. Sara England vom Beijinger Büro der Weltgesundheitsorganisation sieht die Konkurrenzfähigkeit Chinas bedroht, wenn es nicht gelingen sollte, eine wirksame Einschränkung des Tabakkonsums durchzusetzen. Viele chinesische Wissenschafter und Ingenieure sterben an Lungenkrankheiten, was für das Land einen erheblichen Verlust bedeutet. Die Vertreterin der WHO findet, die beste Maßnahme, chinesische Raucher vom Tabak fernzuhalten, sei eine Erhöhung der Tabaksteuer. Dadurch kann die chinesische Regierung mehr Geld einnehmen und zugleich die Zahl der Raucher reduzieren. Dies sei eine klassische Win-Win-Strategie. Die Regierung braucht nichts zu investieren, und rettet doch viele Menschenleben.