30-12-2010
Tagungsthemen
Kann Autokaufverbot Beijing vom Stau befreien?
Beijing Review

Bis zum 14. Dezember wurde das Konzept zur Verbesserung der Verkehrslage in Beijing eine Woche lang zur öffentlichen Diskussion gestellt. Dann ging es Schlag auf Schlag: Am 23. Dezember wurden die Vorschriften in endgültiger Fassung der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Einige der sehr konkreten Maßnahmen haben jedoch scharfe Kritik unter der Bevölkerung ausgelöst.

Der Streit konzentriert sich auf die Regeln zur Begrenzung der Kraftfahrzeugzulassungen in der Stadt.  Von diesem Maßnahmenkatalog war in der zur Diskussion gestellten Fassung des Regelwerks noch gar keine Rede gewesen! Angeblich regiert bei Neuzulassungen nun allein das Zufallsprinzip. Einmal im Monat findet eine Art Tombola statt, wer Glück hat, gewinnt ein Nummernschild. An der Ziehung beteiligen dürfen sich Beijinger, die noch kein Auto haben, oder Zugereiste, die fünf Jahre in Folge in Beijing gearbeitet und Steuern bezahlt haben. Autos aus anderen Städten dürfen zur Verkehrsspitzenzeit zwischen 7 Uhr und 9 Uhr und 17 Uhr und 20 Uhr nicht mehr in die Stadt fahren.

 „Eine böse Überraschung", meint Xie Zhiyong, Professor für Verwaltungsrecht an der Universität für Politik und Recht. „ Wenn die Entscheidungsträger solche Maßnahmen ergreifen wollen, sollten sie bei der öffentlichen Diskussion gezielt darauf hinweisen, anstatt sie einfach zu verschweigen. Sonst macht eine öffentliche Debatte keinen Sinn!" Auch der Chef des Forschungsinstituts für Stadtentwicklung und Umwelt der Akademie der Sozialwissenschaften, Pan Jiahua, kritisiert, dass das Recht der Bevölkerung auf ausreichende Informationen bei der öffentlichen Debatte ignoriert wurde.

Nach der Bekanntgabe der neuen Regelungen blieb zögerlichen Autokäufern nicht mehr viel Zeit: Sie mussten sofort eine Entscheidung treffen. Kaufen oder nicht kaufen, das war die Frage! Von der Bekanntgabe der Vorschriften bis zu deren Inkrafttreten lagen nur wenige Stunden, da die Bestimmungen bereits am folgenden Tag wirksam wurden. In der Nacht zum 24. Dezember wurde in fast allen Autohäusern in Beijing rund um die Uhr gearbeitet, um die herbeiströmende Kundschaft zu bedienen. Herrn Wei ist es gelungen, vor 0 Uhr am 24. Dezember den Kaufsvertrag unter Dach und Fach zu bringen: „Nach den neuen Vorschriften habe ich wahrscheinlich keine Chance, jemals zu einem eigenen Auto zu kommen", so der junge Journalist.

Xie Zhiyong meint, im Vergleich zu denen, die schon Autos besitzen, gehören die zögernden Käufer meist zu den finanziell Schwächeren. Die Politik sollte eigentlich darum bemüht sein, die Interessen dieser Gruppe besonders zu berücksichtigen. Stattdessen würden sie ignoriert und in ihren Rechten beschnitten.

Für Ausländer, Hongkonger, Macauer und Taiwaner reicht ein einjähriger Aufenthalt in Beijing, um eine Zulassung beantragen zu können, während Chinesen aus anderen Provinzen erst dann ihre Chance bekommen, wenn sie satte fünf Jahre lang in Beijing gearbeitet und Steuer bezahlt haben. Diese Regel wurde als „besonders ungerecht" wahrgenommen.

Xie Zhiyong hält Kauf- oder Fahrverbote für zu grob, um die Verkehrssituation in Beijing zu verbessern. Nummernschilder würden durch diesen Verwaltungsakt  künstlich verknappt werden, was nur zu einem blühenden Schwarzmarkt führen werde.  

Pan Jiahua vom Forschungsinstitut für Stadtentwicklung und Umwelt bezeichnet Autos als die „Monster der Stadtentwicklung. Nun sind die kleinen Monster groß geworden und es ist nicht mehr möglich, sie einfach zu Hause einzusperren."   

Zwar bekräftigte die Regierung wiederholt, dass der ständig wachsende Bestand an PKW in Beijing die größte Herausforderung für den Straßenverkehr der Stadt bildet, Kaufs- und Nutzensbeschränkungen sollten allerdings nur als allerletzte Notmaßnahme dienen, so Ma Qiang, Vizechef des Instituts für Stadtplanung der Tsinghua Universität. In den neuen Vorschriften sei nur von der Beschränkung für PKWs die Rede, wie aber stehe es mit den öffentlichen Verkehrsmitteln? Er hält es für ungerecht, wenn die Bürger einerseits aufs Auto verzichten sollen, andererseits aber den schlechten Service des öffentlichen Personennahverkehrs in Kauf nehmen müssten.  

Angesichts von Zweifel und Kritik an den neuen Vorschriften versprach Liu Xiaoming, der Chef des Beijinger Verkehrskomitees, vor der Presse, dass die Verlosung der Zulassungen fair und transparent sein wird: „Jeder hat die gleichen Chancen und das Ergebnis jeder Ziehung wird beglaubigt und im Internet veröffentlicht."

Nach offizieller Darstellung ist die öffentliche Debatte im Vorfeld keinesfalls nur eine Show zur Täuschung der Öffentlichkeit gewesen. Der stellvertretende Generalsekretär der Stadtverwaltung Beijings, Zhou Zhengyu, behauptet, dass dank der öffentlichen Erörterung mehrere Artikel konkreter formuliert worden seien. Er verwies auf Artikel 20 des Regelwerks, wo es zunächst geheißen hatte, dass die Regierung „aus gegebenem Anlass" das Recht habe, ein Fahrverbot auszusprechen. Nun sei detailliert dargestellt, was man sich unter einem solchen Anlass vorzustellen habe: Verkehrsspitzenzeiten, Unwetter und wichtige Veranstaltungen, die voraussichtlich zu Verkehrsbehinderungen führen werden.