Treibende Kraft der Reform
„Die chinesische Wirtschaft war früher völlig vom Staat dominiert, und die ersten acht Unternehmen, die an der Shanghaier Börse notierten, waren allesamt Staatsbetriebe. Nach ihrem Börsengang zeigten diese Staatsbetriebe ein bemerkenswertes Entwicklungspotenzial", sagt Lu Yongzhen, der Leiter der Abteilung für Kapitalmärkte am Forschungsinstitut der Aufsichtskommission des Staatsrates für die staatlichen Unternehmen (Guoziwei bzw. SASAC).
„Gleichzeitig wurden weitere Staatsbetriebe in Aktiengesellschaften umgewandelt und strebten einen Börsengang an. Heute sind die meisten staatlichen Unternehmen in China als Aktiengesellschaften registriert und jeder kann an der Börse Akteile erwerben. Außerdem haben zahlreiche private Unternehmen Aktien ausgegeben und die Börsen sind für ihre Entwicklung unentbehrlich", sagt Lu Yongzhen. „Die chinesische Wirtschaft weist nun eine Vielfalt an Eigentums- und Unternehmensformen auf: Staatsbetriebe, private und ausländische Unternehmen florieren."
Cao Fengqi sagt, dass die chinesischen Börsen vier große Leistungen erbracht haben:
„Erstens haben sie die Planwirtschaft im Finanzsektor beseitigt und das System in Richtung Marktwirtschaft verändert. Früher konnten Unternehmen sich nur aus dem Budget der Regierung und durch Bankkredite Kapital verschaffen.
Zweitens haben die Aktienmärkte zur Umwandlung der Staatsbetriebe in Aktiengesellschaften beigetragen, von denen eine ganze Reihe zu international wettbewerbsfähigen Giganten geworden sind. Ohne die Börse hätten viele Staatsbetriebe kaum überlebt.
Drittens haben sie eine Handvoll wettbewerbsbewusster Unternehmer und Zwischeninstitutionen wie Investmentbanken sowie Unternehmen für Vermögensanalyse und Unternehmensberatung, Buchhaltung und Anwaltskanzleien hervorgebracht.
Viertens haben sie für die Chinesen neue Investitionsmöglichkeiten geschaffen. Nahezu 200 Millionen Chinesen haben in Aktien investiert und ihr Leben ist eng mit dem Auf und Ab der Börse verbunden."
Ausblick
Mit der „Zweiten Runde der Quantitativen Lockerung" (QE2) der US-Regierung fürchten chinesische Entscheidungsträger, dass Spekulanten China mit billigen Dollars überschwemmen und die reale Wirtschaft ins Trudeln bringen könnten.
Als Reaktion darauf hat Zhou Xiaochuan, der Vorstandschef der chinesischen Zentralbank, vorgeschlagen, solche spekulativen Finanzströme in einen „Löschteich" zu leiten, um ein Eindringen in die reale Wirtschaft zu verhindern.
Viele Wirtschaftsexperten meinen, dass er mit diesem „Löschteich" die Aktienmärkte meinte, die aufgrund ihres großen Umfanges diese Mittel auffangen könnten.
Derzeit gibt es für ausländisches Kapital nur einen Zugang zum chinesischen Markt der Yuan-dominierten A-Aktien: das Qualified-Foreign-Institutional-Investor-Program (QFII-Program). Dieses hat jedoch eine strikte Quotenregelung und ausländische Einzelanleger haben derzeit keinen Zugang zu den chinesischen Märkten. Wenn mit dem „Löschteich" tatsächlich der Aktienmarkt gemeint ist, könnte das ein Hinweis auf eine weitere Öffnung der Märkte sein.
Die Börsen zu internationalisieren, ist wahrscheinlich auch Bestandteil der Pläne der Entscheidungsträger. Jiang Jianrong vom Shenyin & Wanguo Securities Research Co. Ltd. meint, dass China nun internationale Börsen gründen könnte, da die chinesischen Börsen nun Geschäfte abwickeln, Wertpapiere registrieren und den Zahlungsverkehr regeln dürften. Außerdem zeigten ausländische Firmen in China zunehmend Interesse an einer Börsennotierung.
Nach manchen Berichten soll bereits entschieden sein, dass eine internationale Börse an der Shanghaier Börse angesiedelt werden soll, und dass eine Reihe ausländischer Firmen wie HSBC Holdings, Hang Seng Bank und Siemens sich auf einen Börsengang in China vorbereiten.
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