12-02-2010 Beijing Rundschau
Ameisenklasse: Gesichtsverlust und Geldmangel
von Chen Kaiyi

 

„Ameisenklasse", ein neues Wort, das zur Bezeichnung für die wachsende Gruppe junger Menschen benutzt wird, die über einen hohen Bildungsabschluss, aber nur ein geringes Einkommen verfügt. Diese Gruppe weist ähnliche Eigenschaften wie Ameisen auf: Sie sind intelligent, aber schwach und vor allem sind sie zahlreich. Vielen von ihnen müssen sich trotz ihrer Hochschulzeugnisse mit befristeten Jobs durchschlagen, als Versicherungsagenten oder Immobilienmakler. Viele von ihnen sind arbeitslos oder nur teilzeitbeschäftigt. Ihr Durchschnittseinkommen beträgt selten mehr als 2000 Yuan pro Monat. Sie sind normalerweise zwischen 22 und 29 Jahre alt und wohnen in den Randgebieten der Städte, dort bilden sich langsam spezielle Quartiere der Ameisenklasse.

Das Frühlingsfest steht vor der Tür. Tan Xiaofei hat gerade seinen zweiten Job im Jahr 2010 verloren. Es war sein fünfter, seitdem er in Beijing lebt. Einsam sitzt er an seinem alten Schreibtisch, teilnahmslos blickt er auf den Bildschirm des Computers und klickt sich durchs Internet. Seine Schwester, die als Wanderarbeiterin in Hefei in der Provinz Anhui arbeitet, hat bereit vor Tagen mit ihm telefoniert und ihn gefragt, ob er dieses Jahr nach Hause kommen wolle, um gemeinsam mit der Familie das Frühlingsfest zu feiern. Trotz seiner Arbeitslosigkeit schob er vor, Überstunden während der Ferien machen zu müssen, deshalb könne er nicht in die Heimat zurückkehren. Zum letzten Mal war er 2008 zum Frühlingsfest daheim, seitdem traute er sich nicht mehr unter die Augen seiner Eltern. 

Tan Xiaofei schloss 2006 sein Studium an einer namhaften chinesischen Universität ab. Voller Erwartungen kam er nach Beijing. Die Ernüchterung erfolgte rasch: noch nach einem halben Jahr hatte er keinen geeigneten Job gefunden. Für viele attraktive Stellen fehlte es ihm an Berufserfahrung. Tief enttäuscht über seine Lage, kehrte er schon 2007 nicht zum Frühlingsfest nach Hause zurück. Er wusste nicht, wie er den Eltern erklären sollte, dass er noch keine geeignete Arbeit gefunden hatte. Nach dem Frühlingsfest hängte er seine Erwartungen tiefer: er heuerte bei einem Immobilienmakler an und verkaufte nebenbei Versicherungen in seinem Bekanntenkreis. Um Geld zu sparen, teilte er sich mit Freunden aus seiner Zeit an der Mittelschule eine Wohnung in Tangjialing, eine Siedlung im Nordwesten von Beijing. Die Miete ist dort günstiger als in der Innenstadt. Jeden Monat konnte er 200 Yuan sparen. Nach einem Jahr, zum Frühlingsfest 2008, kehrte er mit seinen angesparten 2400 Yuan in seine Heimat zurück.  Allerdings lösten sich die 2400 Yuan fast über Nacht in Luft auf: 500 Yuan für die Hin- und Rückreise nach Hause, 500 Yuan hat er seinen Eltern geschenkt, seiner Schwester ein neues Kleid gekauft, Geldumschläge für die Kinder in seiner Verwandtschaft ... 

 

„Da es während des Frühlingsfest 2008 stark schneite, bin ich mehr als zwei Wochen zu Hause geblieben, so lange wie noch nie seit dem Abschluss meines Studiums. Meine Eltern schärften mir ein, nur ja fleißig zu arbeiten in Beijing, und sie später zu mir in die Stadt zu holen. Oder – wenn es möglich sei – das Kind meiner Schwester nach Beijing mitzunehmen. Sie hatten all ihre Hoffnung in mich gesetzt. Wie schon damals, als die Familie alles Geld aufwandte, um mein Studium zu finanzieren. Damals sagte ich zu allem Ja und Amen, denn ich wollte ihnen nicht die Freude verderben. Außerdem glaubte ich selbst noch, dass alles besser werden wird", sagt er. Auf der Rückreise nach Beijing malte sich Tan seine Zukunft aus, dachte an das Viertel, in dem er und seine Familie eine Wohnung kaufen würden und glücklich leben könnten. Als er allerdings in Tangjialing ankam, war der Unterschied zwischen Traum und Realität unübersehbar.

Im Jahr 2008 arbeitete er in einer Computerfirma. Das ganze Heimatdorf glaubte, dass er es nun in die IT-Elite geschafft hatte. Eigentlich verdiente er nur 1500 Yuan im Monat. Da er nicht viel Geld sparen konnte, kehrte er 2009 zum Frühlingsfest nicht nach Heimat zurück. Gerade als er seinen Job in einer kleinen Handelsfirma verloren hatte, fragten ihn seine Eltern: „Wie viel hast du dieses Jahr gespart? Reicht es, um ein Appartement in Beijing zu kaufen? Wann kannst du heiraten?" „Ich wage gar nicht, über so eine Frage auch nur nachzudenken! Allerdings verstehen das meine Eltern nicht. Ich möchte sie das auch nicht wissen lassen. Meine Schwester hat mich in Beijing besucht und mir einige Hundert Yuan dagelassen. Wir sagten der Familie, dass es uns sehr gut geht. In einigen Jahren können sie nach Beijing kommen und mit mir zusammen leben. Ich weiß aber nicht, wie lange sie das noch glauben werden. Aber ich kann ihnen doch nicht alle Hoffnung rauben!"  

(Quelle: Beijing Youth)

 

 

 
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