02-03-2009 Beijing Rundschau
Akademische Jugend ohne Perspektive
von Xu Bei

Lieber ein Bett in einer Metropole, als eine Wohnung in Westchina?

In den Augen der meisten chinesischen Uniabsolventen sind die Metropolen gleichbedeutend mit Karriere, hohem Gehalt und Aufstiegsmöglichkeiten. Das führt zweifellos dazu, dass die Städte, die Absolventen dringend bräuchten, nicht genügend Bewerber bekommen, während es in den Zentren des Landes zu viele potentielle Bewerber auf qualifizierte Stellen gibt.

Nach einer Untersuchung von Yue Changjun, Pädagogikprofessor an der Peking-Universität, sei das durchschnittliche Gehalt in Metropolen wie Beijing, Shanghai und Guangzhou merklich höher als das in Klein- und Mittelstädten.

Wang Ming, Absolvent der Beijinger Hochschule für Naturwissenschaften und Technik, hat an der Universität Sozialwissenschaften studiert. Seit seinem Studienabschluss hat er mehrmals an der Eignungsprüfung für den öffentlichen Dienst teilgenommen. Allerdings hat er sie nie bestanden. Auf einer Jobmesse im Bezirk Chongwen sah er, dass 80 Prozent der Arbeitsplätze für Absolventen mit Heimatrecht in Beijing reserviert sind. Nur auf eine Stelle im Amt für Religionsangelegenheiten hätte er sich bewerben können. Als er dort vorbeischaute, hat er gesehen, dass dort bereits ein Stapel von mehr als 300 Lebensläufen auf dem Tisch lag. Letztendlich bekam er keine Gelegenheit zur Teilnahme an der Eignungsprüfung.

Danach war er pausenlos auf Jobsuche. Seinen Gehaltswunsch hat er jetzt bereits auf 2000 Yuan (207 Euro) reduziert. Er hat auch schon daran gedacht, in die Provinz Shanxi zu gehen, um dort nach einem Job zu suchen. Allerdings war seine Mutter damit nicht einverstanden. „Die Nachbarn in unserem Dorf würden sich das Maul darüber zerreißen, dass mein Sohn zwar in Beijing studiert hat, jetzt aber in einer anderen Provinz arbeiten muss. Unsere Familie hätte das Gesicht verloren!" sagt die Mutter von Wang Ming.

Die Haltung dieser Absolventen lässt sich gut mit folgender Redewendung umschreiben: „Lieber ein Bett in der Metropole, als eine Wohnung in Westchina". Ein Lehrer an der Minzu-Universität, der zentralen Hochschule für die nationalen Minderheiten Chinas, sagt, dass 73 Prozent der Absolventen an seiner Universität in Beijing arbeiten. „Wenn die Absolventen unserer Universität in anderen Provinzen arbeiten wollten, könnten sie sehr gute Jobs finden. Allerdings lehnen die meisten das ab."

Wang Liping, Vizeleiter des Studentensekretariats der Universität für Forstwissenschaft in Beijing sagt: „Das Studium vieler Fächer an unserer Universität ist geeignet für die Arbeit auf Forstfarmen in anderen Provinzen. Allerdings möchte fast keiner unserer Absolventen in eine andere Provinz ziehen."

 

Experten für Eignungsprüfungen und Vorstellungsgespräche

Im Heer der Absolventen ist inzwischen eine neue Gruppe entstanden, die „Interview- und Eignungsprüfungsmaschinen" genannt wird. Diese „Maschinen" haben am Ende ganz gute Aussichten, einen Job zu finden.

Ende März hat Wu Jinfang schließlich einen Job mit einem Monatsgehalt von 1000 Yuan (103 Euro) gefunden. „Geschafft! Jetzt bin ich nicht länger mehr eine Interviewmaschine", sagt er. „Interviewmaschine" heißt in der Fachsprache der Uniabsolventen jemand, der sich unverdrossen einer Unzahl von Vorstellungsgesprächen unterzieht.

Um in Guangzhou einen Job zu finden, hat Wu im Februar 2008 fast 1000 Lebensläufe online verschickt. „Sogar beim Essen klicke ich noch auf die Tasten, um meinen Lebenslauf zu verschicken", sagt er. Er hat mehr als 30 Einladungen zum Interview erhalten und an 20 davon teilgenommen. „Ungefähr zwei Wochen lang war ich eine Interviewmaschine. Von morgens bis abends bin ich ein wandelndes Vorstellungsgespräch gewesen." Nach und nach haben sich seine Gehaltsvorstellungen verflüchtigt. Anfangs wollte er noch 1800 Yuan (186 Euro) pro Monat. Dann wäre er schon mit 1500 Yuan (155 Euro) zufrieden gewesen, landete aber schließlich bei 1000 Yuan (103 Euro).

Wang Shengde, Absolvent der Universität für Politikwissenschaft und Recht, wird von seinen Kommilitonen „Eignungsprüfungsmaschine" genannt. Seit dem 25. Dezember 2007 ist er in 15 Städten gewesen, um an den dortigen Eignungsprüfungen für den öffentlichen Dienst teilzunehmen.

Bislang hat er schon 5 000 Yuan (516 Euro) für seine Prüfungsreisen ausgegeben. Von drei Monaten ist er zwei auf Achse. „Ich lese die Prüfungsmaterialien immer unterwegs im Zug", sagt er. Um 23 Uhr am 31. März erfuhr er, dass er am nächsten Morgen nach Tianjin fahren musste, um an der lokalen Eignungsprüfung teilzunehmen.

In China gibt es Tausende und Abertausende „Eignungsprüfungsmaschinen". Statistiken des Erziehungsministeriums zufolge wurden in diesem Jahr 1,05 Millionen Bewerber für die Prüfung zum öffentlichen Dienst zugelassen. Im Schnitt kamen 78 Bewerber auf eine offene Planstelle. Lediglich 1,2 Prozent der Bewerber werden mit einer Übernahme in den Staatsdienst rechnen können.

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