02-03-2009 Beijing Rundschau
Internet fördert Demokratisierung in China
von Zeng Wenhui

Laut neuesten Statistiken des China Internet Network Information Center (CNNIC) betrug Ende 2008 die Zahl der Internetnutzer in China bereits 298 Millionen. China ist damit heute weltweit die Nummer eins hinsichtlich der Zahl der Internetuser. Als neues Medium spielt das Internet eine wichtige Rolle im Prozess der Demokratisierung der chinesischen Gesellschaft. Zum Thema „Internet fördert das Demokratieverständnis des chinesischen Durchschnittsbürgers" hat die Beijing Rundschau Liu Deliang interviewt, Professor an der Beijinger Universität für Post- und Fernmeldewesen und zugleich Direktor des Asia-Pacific Institute for Cyber-law Studies.

Beijing Rundschau: Als neues Medium, das eine immer weitere und schnellere Verbreitung findet, übernimmt das Internet immer mehr die Rolle einer demokratischen Kontrollinstanz. Welche Vorteile hat das Internet im Vergleich zu den traditionellen Medien hinsichtlich der Ausübung einer Kontrollfunktion gegenüber der Regierung?

Liu Deliang: Ich meine, das Internet ist sehr offen, ohne Grenzen von Staaten und Gebieten anerkennen zu müssen. Jeder kann in Internet seine Meinungen äußern, solange er einen Internetzugang hat. In traditionellen Medien ist es aber viel komplizierter für Normalbürger, ihre Meinung zu veröffentlichen.

Außerdem können die Bürger im Internet wagemutiger ihre Meinung bzw. Kommentare über die Regierung und öffentliche Angelegenheiten verbreiten, denn das Netz ist virtuell, gewährt also in gewisser Hinsicht Anonymität. Dadurch können die Internetuser die Regierung überwachen.

 

Beijing Rundschau: In China gibt es zahlreiche Probleme, denen die Regierung zunächst keine Aufmerksamkeit schenkt. Nachdem Probleme im Internet ans Licht gebracht werden, beginnen die zuständigen Behörden in der Regel sofort damit, diese Probleme anzugehen. Kann man sagen, dass für den Bürger das Internet ein geeignetes Mittel ist, seine Ansprüche und Forderungen zu artikulieren?

Liu: Die hohe Geschwindigkeit und die große Effizienz bei der Verbreitung von Nachrichten im Internet lassen einen größeren Personenkreis sehr schnell Kenntnis von einem Vorfall oder einem Sachverhalt erlangen. Dadurch ist eine einflussreiche Macht entstanden, die von Regierung und Verwaltung nicht länger ignoriert werden kann. Ohne Druck aus dem Internet würden Behörden die Lösung von Problemen hinauszögern, oder sich gar nicht um die Behebung dieser Missstände kümmern. Die traditionellen Medien haben wegen beschränkter Zugangsmöglichkeiten, hoher Entstehungskosten und begrenzter Verbreitung einen sehr viel kleineren Wirkungskreis. Ihre Fähigkeit, gegenüber der Regierung eine Kontrollfunktion auszuüben, ist nicht so groß wie die des Internets.

 

Beijing Rundschau: Derzeit ist in China das so genannte „Human Flesh Searching", („Menschenaufspüren"), sehr beliebt. Hierbei werden persönliche Daten von Beamten, die sich der Korruption oder moralischer Verfehlungen schuldig gemacht haben, im Internet veröffentlicht, um dadurch Druck auf sie auszuüben. Wie beurteilen Sie diese Praxis?

Liu: „Human Flesh Searching" ist einfach nur ein technisches Mittel zur Veröffentlichung von Informationen. Technik ist grundsätzlich neutral. Technik kann sowohl guten Absichten dienen, als auch zur Erreichung unlauterer Ziele eingesetzt werden. Man soll „Human Flesh Searching" eine positive Rolle spielen lassen und negative Auswirkungen vermeiden. Die Öffentlichkeit hat ein Recht, die Wahrheit zu erfahren. „Human Flesh Searching" ist ein Mittel für die Öffentlichkeit, von diesem Recht Gebrauch zu machen, deshalb sollte ein rationales und angemessenes „Human Flesh Searching" vom Gesetzgeber erlaubt sein. Voraussetzung ist allerdings, dass die Angelegenheit bzw. das Verhalten der Betroffenen von allgemeinem Interesse ist, was zum Beispiel bei Korruption ja durchaus der Fall ist. Handelt es sich jedoch um einen rein privaten Vorgang, wie etwa die Frage, was eine Person gerne zu Mittag isst, dann sollte dies nicht auf dem Wege veröffentlicht werden. Und Minderjährige sollten auf keinen Fall durch „Human Flesh Searching" in die Öffentlichkeit gezogen werden, selbst dann nicht, wenn der Vorfall allgemeine Interessen berührt.

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